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O S T E R N
1 9 6 5
�P H O T O H A U S
MUNSTER/W. nur: DRUBBEL 3
Ruf 43633 /43634
P H O T O
M A K R O
S C H M A L F I L M
— R Ö N T G E N
— P R O J E K T I O N
—
— P O S T V E R S A N D — T E I L Z A H L U N G
— M I K R O
Einrichtung vollständiger Labors
für Wissenschaft und Technik
E I N E S D E R Ä LT E S T E N FA C H G E S C H Ä F T E D E U T S C H L A N D S
S i e
W o l l e n
t ä n z e r i s c h g u t a u s g e b i l d e t w e r d e n
u n d
somit für lange Zeit
bleiben,
m o d e r n
i c h i h n e n
e m p f e h l e
d a n n
m e i n e
T A N Z K U R S E
f ü r A N F Ä N G E R
u n d F O R T G E S C H R I T T E N E
Nadi Beendigung der Tanzstundenzeit sollten Sie sidi durch den Besuch
d e r
w e i t e r b i l d e n !
T a n z t e e s
D i e s e fi n d e n s t a t t a m :
M i t t w o c h
Samstag und Sonntag von 16.30 bis 19.00 Uhr und 19.30 bis 22.00 Uhr
v o n 1 6 . 3 0 b i s 1 9 . 0 0 U h r
Ta n z s c h u l e
Eugen Wichtrup
4 4 M Ü N S T E R / W E S T F .
H a r s e w i n k . e 1 g a s s e 1
�Das Schlaun-Gymnasium
Schulzeitung für die Schüler^ Lehrer^ Eltern, Ehemaligen
und Freunde des Schlaun-Gymnasiums zu Münster (Westf.j
N r. 3 1
O s t e r n 1 9 6 5
Gedanken zur Frage der Elitebildung
Cffens/c/if//ch gehört die Anerkennung von Rängen zu den Urvoraussetzungen der
Gemeinschaft überhaupt.
*
Wo der Maßstab des höheren Ranges fehlt, triumphiert die Mittelmäßigkeit und
wird zur tonangebenden Tugend m/t o//en Konsequenzen, d/e s/ch darous ergeben.
Die M/tte/möö/g/fei't ist um ihrer selbst willen jeder Elite feind.
*
♦
Wo aber der höhere Rang vom Durchschnitt und Mittelmaß anerkannt wird, ent¬
steht mit groÖer Wohrschei’n/ichkeit em echter politischer, gesellschaftlicher und
kultureller Stil.
Wer Elite als Gefahr für die Demokratie ablehnt, erklärt damit die Mittelmäßigkeit
als demokratische Tugend.
Elite kann nur da entstehen, wo eine Gruppe hohe Forderungen an sich selbst
stellt. Sie entsteht keineswegs, wenn eine Gruppe hohe Forderungen an die ge¬
sellschaftliche Umwelt stellt.
Eine Gruppe, die an sich selbst hohe Anforderungen stellt, rangiert eben dadurch
höher als der Durchschnitt und das Mitteimoß.
Wer der Jugend nochlöutt, dem wird sie davonlaufen. Nur wer sie hoch zu for¬
dern versteht, wird die Maßgeblichen unter ihnen gewinnen —nicht für sich,
sondern für die Forderung. Sie fühlen sich nicht verstanden, wenn mon immer
weniger, sondern erst, wenn mon mehr von ihnen fordert.
In Deutschland ist der Gedanke der Elite immer noch Gegenstand des Unbehagens.
H a n s S c h o m e r u s
*
�An die deutsche Jugend!
im freien Menschsein beginnt die Wirkkraft der gelebten, der nicht bloß ge¬
lehrten und darum angelernten Demokratie. Es fällt mir nicht ein, geschichtliche
Vergangenheiten alter deutscher oder alter preußischer Geschichte zu schmähen.
Wir leben aus ihr in vielen seelischen Kräften, aber wir sind, in gewandelter Welt, .
nicht ihre Sklaven. Doch die junge Generation muß den aus Trümmern einer sinn¬
losen geschichtlichen Selbstvernichtung neu erbauten Staat als eigene Aufgabe be¬
greifen. Wir Alteren, die wir in den Riß traten, sind bloß Platzhalter des Wer¬
denden. Das, was wird in der gesellschaftlichen Ordnung, in der friedlichen Ein¬
gliederung Deutschlands, des gesamten Deutschlands, wird Eure Aufgabe sein. Sie
verlangt Geduld und Zähigkeit, Fromm-Sein vor Gott und Freund-Sein zum Näch¬
sten, über Stamm und Stand und Konfession hinweg, Arbeitstüchtigkeit, der Arbeits¬
freude und Arbeitsstolz folgen mögen, und ein Wissen, daß In der Folge der Ahnen
und Eltern, die mühsamen, doch großen Aufstieg erlebten, um tiefen Sturz zu er¬
leiden, das Vaterland, durch Euren Willen von Geschichtsschmach gereinigt, zu
einem Sein freier Würde im Kreise freier Völker zurückkehre!
Theodor Heuß
(gesprochen bei der Abschiedsfeier für unsere diesjährigen Abiturienten}
B U C H H A N D L U N G
Ferdinand Scl}6ningl)-
S a l z s t r a ß e
6 1
0 S c h u l b ü c h e r
# T e x t a u s g a b e n
●W ö r
t e r b ü c h e r
# A t
l a n t e n
0 J u g e n d b ü c h e r
2
�Aus dem Leben unserer Schule
Das Schuljahr 1964/65 begann am Donnerstag, 9. April 1964, mit dem Schul¬
gottesdienst in der Lambertikirche bzw. Erlöserkirche. Danach versammelten sich
die 863 Schüler des neuen Schuljahres auf dem Schulhofe, nahmen die ersten wich¬
tigen Hinweise für das neue Schuljahr entgegen und erhielten in ihren Klassenräu¬
men ihre neuen Stundenpläne. Den Rest des Tages durften sie ihren beendeten
Osterferien zurechnen. Die eigentliche Arbeit begann erst am Tage darauf.
Sie konnte nicht ganz der Lehrverfassung entsprechend vor sich gehen. Obwohl
unsere Lehrer manche Stunden über die Zahl ihrer Pflichtstunden hinaus erteilten
und Aushilfskräfte eingesetzt wurden, blieben doch 28 im Plan vorgesehene Stun¬
den ungedeckt und mußten ousfallen. Es waren insbesondere Turn- und Sportstunden.
Da wir für unsere 27 Klassen allerdings nur eine Turnhalle haben, wäre es auch
dann kaum möglich gewesen, sie in der planmäßigen Zahl zu erteilen, wenn genü¬
gend Lehrer dafür zur Verfügung gewesen wären.
Im verflossenen Schuljahr wurde der Unterricht an unserer Schule von insge¬
samt 46 Lehrern erteilt (darunter 4Aushilfskräften).
*
Befördert wurden im Laufe des letzten Schuljahres
Alfred Heidtmann,
Günther Eilentrop und
Dr. Fritz Scholmeyer
die Studienräte
zu Oberstudienräten,
die Studienassessoren Gerhard Simon,
Reinhard Nickisch und
Dietrich Buff
zu Studienräten.
In das Lehrerkollegium traten ein
Studienrat Dankfried Kleinschmidt,
Studienassessor Hans Galen,
Studienassessor Dr. Rainer Epe.
Wir sprechen den Genannten unsere herzlichen Glückwünsche aus.
Ausgeschieden sind
Oberstudienrat Hans Gradaus, der wegen einer Kriegsbeschädigung
vor der Zeit in den Ruhestand versetzt wurde.
Studienrat Gerhard Herting, der zu Ostern 1965 auf eigenen Wünsch¬
en dos Gymnasium Dionysianum in Rheine versetzt wird,
Studienrätin i. R. Dr. Johanna Kortmann, die seit ihrer Pensionierung
weiterhin aushilfsweise bei uns tätig war,
Musiklehrer cand. phil. Ekkehard Kreft.
Wir wünschen den Scheidenden alles Gute auf ihrem ferneren Lebenswege.
3
�Unter Berücksichtigung der genannten Veränderungen gehören zum derzeitigen
Lehrerkollegium des Schlaun-Gymnasiums:
Oberstudiendirektor
Oberstudienrat
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S t u d i e n r a t
Studienrätin
S t u d i e n r a t
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S t u d i e n r ä t i n
Studienrat
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S t u d i e n a s s e s s o r
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A s s e s s o r i n d e s L e h r a m t e s
4
Dr. Hermann Spreckelmeyer
Dr. Conrad Henke
Dr. Eduard Lütgen
Dr. Hugo Pottebaum
Dr. Ludwig Klockenbusch
E r n s t T h i e l
H a n s S c h o r m a n n
A l f r e d H e i d t m a n n
Günther Eilentrop
Dr. Fritz Scholmeyer
Paul Hungerberg
Dr. Albert Allerup
Paula Lange ,
Wa l t e r O t t e
Bernhard Schlüter
Rudolf Hillebrand I
Wilhelm Wacker (z. Z. beurlaubt)
Hermann Schwerbrock
U l r i c h E h r h a r d t
Klaus Hagemann j
D r . C h a r l o t t e G r u n a
Joseph Pahl
O t t o V i l l l s
H e i n r i c h D ü t z
A d o l f S c h e i d t
Aloys Neumann
Dr. Eichhorn-Eugen
H o r s t P e t e r s
N o r b e r t J o h a n n i m l o h
Klaus Franzenburg
Georg Greshake
D r. E l m a r B o z z e t t i
D a n k f r i e d K l e i n s c h m i d t
K l a u s G r u h n
G e r h a r d S i m o n
R e i n h a r d N i c k i s c h
D i e t r i c h B u f f
K l a u s S i e b e i
H a n s G a l e n
Dr. Rainer Epe
Gerhard Uhlig
Dr. Helga Fey
�Von den an unserer Schule weilenden Studienreferendaren des Ausbildungslehr¬
ganges 1963/64 wurden nach bestandener 2. Staatsprüfung zu Studienassessoren
e r n a n n t :
Werner Bronstering
Dr. Rainer Epe
Hans Ludwig Freytag
Bertold Glaubitz
Georg Kassat
Martin Kuss
Hermann Menshausen
We r n e r O b s t
Lothar Paul
F r i e d b e r t R a a t s c h e n
E r n s t S a l o m o
Eckhardt Schmidt
K l a u s E r d m a n n T h i e m
Wir beglückwünschen die Genannten zu ihrem Erfolg.
Anfang Oktober Oberwies uns das hiesige Staatliche Studienseminar Ifolgende
Studienreferendare zum Abschluß ihrer pädagogischen Ausbildung:
D r . R u d o l f B o m b a
Kaplan Winfried Feldkamp
Klaus Freckmann
Wolfgong Goez
Helmut Hoppe
W i l h e l m K a u t z
Gerhard Luczak
Wilhelm Nieper
*
Walter Oberste
Erwin Pohl
Albert Saatkamp
E b e r h a r d S c h m i d t
D r . H a n s S ü ß m u t h
E l m a r U h l e n b r o c k
Friedrich-Wilhelm Vogt
Reinhold Wessendorf
'J-iAche,
^lundeAifuSJitcthtä^
s t e t s g r o ß e s L a g e r
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t n A n g e I g e r ä t e n
F a b r i k a t e
a u s l ä n d i s c h e r
dlem&AcäJk
ältestes Fachgeschäft
M ü n s t e r s
Rothenburg 23
(gegenüber dem
Aegidii-Parkplatz)
5
�Am 27. Mai hatte unser Hausmeister, Herr Wilhelm Hartmann, sein 25jähriges
Dienstjubiläum, wozu Stadtverwaltung und Schule ihm ●und seiner Frau herzliche
Glückwünsche überbrachten.
*
Die Arbeit in der Schulstube wurde wie in allen Jahren durch eine Fülle von
Sonderveranstaltungen aufgelod<ert:
Unsere Ol munternahm Ende April eine Studienfahrt zur Biologischen Station
„Heiliges Meer" bei Hopsten. Im Juni weilte sie eine Woche lang in Berlin.
Unsere beiden sprachlichen Oberprimen (Ol sa und Ol sb) folgten im Mai einer
Einladung der Bundeswehr zum Besuch des Fliegerhorstes in Rheine-Hopsten. Im
Januar besuchten sie die Kölner Ford-Werke sowie den Westdeutschen Rundfunk
und folgten anschließend einer Einladung Bonns zum Besuch des Hauses der Deut¬
schen Einheit und des Bundestages.
Im Juni verbrachte auch unsere Oll meinige Tage auf der Biologischen Station
„Heiliges Meer" bei Hopsten. Im Januar folgten zwei eintägige Studienfahrten:
zu den Chemischen Werken in Marl-Hüls sowie zu einem Hüttenwerk in Bochum.
Unsere Ulm fuhr im Juni ins Taubertal, unsere UM min die Rhön,
UM sa in den Bayerischen Wald.
u n s e r e
Im Juli fand die schon Tradition gewordene Fahrt einer unserer sprachlichen
Unterprimen nach Orleans statt. Diesmal war es unserer Ul sa vergönnt, Orleans
zu besuchen.
Nach den Großen Ferien unternahmen unsere beiden sprachlichen Obersekun¬
den (Ollsa und Ollsb) eine gemeinsame Studienfahrt nach Holland.
Im Dezember konnte unsere UII mdie Aluminium-Werke in Lünen besichtigen.
Sie verband damit in sinnvoller Weise einen Besuch im nahen Cappenberg.
Die größte Freude löste in diesem Schuljahr wohl das Schreiben des Leiters des
Lycee Pothier, Prof. Soudan, aus, in welchem unser Schulchor im Namen der Stadt
Orleans eingeladen wurde, bei den Jeanne-d'Arc-Felern im Mai 1964 mitzuwirken.
Von den Eindrücken unserer 55 Sänger auf dieser Fahrt berichten wir an anderer
S t e l l e .
*
Die übliche Feierstunde zum „Tag der deutschen Einheit" wurde in diesem Schul¬
jahr von den Schülern unserer Ol mgestaltet, die in höchst anchaulicher Weise von
den Eindrücken berichteten, die ihnen ihre gerade abgeschlossene Fahrt In die zwei¬
geteilte Stadt Berlin (6. bis 13. Juni) vermittelt hatte. —Die Gedenkstunde zum
20. Jahrestag des 20. Juli 1944 wurde von den Schülern unserer Ol sa durchgeführt,
die zugleich eine kleine Bild- und Buchausstellung anläßlich dieses Tages in einem
unserer Flure zeigten. —Am „Tag der Heimat" (12. Sept.) las der Wibbeltinterpret
Rainer Schepper in unserer Aula Gedichte und Prosastucke von Augustin Wibbelt.
6
�Am 25. Juni wirkte unser Knabenchor bei einem Schloßgarten-Konzert zu Gun¬
sten des Roten Kreuzes mit. Unsere Chorknaben und ihr Chorleiter, Herr Dr. Alle-
rup, ernteten dabei wiederholt anhaltenden Applaus.
*
Am 7. Juli fand im Preußen-Stadion und auf dem Reichsbahnsportplatz unser
diesjähriges Schulsportfest statt. Am 11. Juli wurden auf unserem Binnenhofe, auf
dem sich die gesamte Schule versammelt hatte, die Sieger der diesjährigen Bundes¬
jugendspiele sowie unsere vorjährigen Schülerlotsen geehrt.
Auf unserem Schulsportfest wurden z. T. hervorragende Ergebnisse erzielt. Fol¬
gende Leistungen sollen besonders erwähnt werden:
50-m-Lauf (Jahrg. 1952 —1954}
75-m-Lauf (Jahrg. 1950 —1951)
100-m-Lauf (Jahrg. 1948 —1949)
100-m-Lauf (Jahrg. 1947 u. ä.)
Schlagballweitwurf (Jahrg. 1950)
Kugelstoßen (Jahrg. 1949,
5kg)
(Jahrg. 1946, 6,25 kg)
(Jahrg. 1944, 6,25 kg)
Weitsprung (Jahrg. 1954)
(Jahrg. 1948)
(Jahrg. 1947)
(Jahrg. 1946)
Dreikampf
Rädecker,
Parche,
Scheele,
Stratmann,
Drees,
Möller,
Klaholz,
Ströber,
Beltrop,
Kleinhölter,
Mertens,
Rottke,
Schmaloer,
Weikert,
Lohmann,
Gänsfuß,
Martin Scheele,
7,2 Sek., Neuer Schulrekord
9,6 Sek.
11,4 Sek.
11,7 Sek.
10,8 Sek., Neuer Schulrekord
11,2 Sek.
11,2 Sek.
7 2
m
10,20 m
11,82 m
13,19 m. Neuer Schülrekord
4,10 m
6,00 m
6,10 m
6,20 m
6,48 m
8 4 P u n k t e
Für unser Schulsportfest hatten wir die 4x 100-m-Staffel und die 3xl000-m-
Staffel des Adalbert-Stlfter-Gymnosiums Castrop-Rauxel zu einem Schulvergleichs¬
kampf eingeladen. Wir gewannen die 4x100-m-Staffel, Castrop-Rauxel die 3x1000-
m-Staffel. Dieser Schulvergleichskampf hat sich später als eine gute Vorbereitung
für die Bannerwettkämpfe in Hagen erwiesen, auf denen unsere 4x100-m-Staffel
den ersten Platz und die 3x1000-m-Staffel des Gymnasiums Castrop-Rauxel den
vierten Platz erreichte.
Daß unsere Schule gute Läufer hat, bewiesen auch die Schulbestenkämpfe des
Bezirks Münster Nord und Ost im 08-Stadion, wo unsere beiden Staffeln (8 x50-m-
Lauf, 8X100-m-Lauf) ebenfalls jeweils den ersten Platz belegten.
*
7
�Ein Schüler unserer Schule endete im
Laufe des verflossenen Schuljahres sein
junges Leben. Es ist Rainer Hegemann,
Schüler der Olli sb. Er starb am 13. No¬
vember nach kurzer, aber schwerer Krank¬
heit.
An seiner Beerdigung am 17. Novem¬
ber nahmen der Direktor, mehrere seine«
Lehrer sowie eine größere Abordnung
von Mitschülern teil.
Am 13. Juli nahmen unsere katholischen
traditionellen
Lehrer und Schüler an der
„Großen Prozession" teil.
Unsere Qberstufenbälle (SomTnerball
am 21. Juli, Winterball am 26. Januar),
von der SMV organisiert, vereinten Lehrer und Oberstufenschüler im Schloßgarten-
R e s t a u r a n t .
Am 25. Juli besuchte uns eine Schülergruppe der Nunthorpe Grammar School
aus York, die mit ihren Lehrern einige Tage in unserer Stadt zubrachte. Die 22
Schüler wurden mit den sie begleitenden Lehrern in unserer Halle am Ehrenmal von
Herrn Direktor Dr. Spreckelmeyer herzlich begrüßt. Unser Schulchor erfreute die
G ä s t e m i t d e u t s c h e n V o l k s l i e d e r n .
Auf einer Biologentagung in Hersfeld bei Kassel im Oktober wurde unserem
Oberprimaner Michael Harengerd der Hörlein-Preis verliehen für seine ausgezeich¬
nete ornithologische Arbeit.
'Bernl^ard pof^LköUer
U N I V E R S I T Ä T S - B U C H B I N D E R E I
Rothenburg 38
M ü n s t e r
Einrahmungen: Stil- und Leistenrahmungen ●Wechsei-Bildhalter
B i l d e r :
Gemälde ●Reproduktionen
Stiche ●Lithographien ●Radierungen ●Holzschnitte
G r a fi k :
In der Werkstatt werden mit handwerklicher Sorgfalt angefertigt:
Bucheinbände ●Urkunden ●Leder- und Pergamentarbeiten
8
�Vom 22. bis 26. Februar fand unter dem Vorsitz von Herrn Oberstudiendirektor
Dr. Spreckelmeyer unsere diesjährige Reifeprüfung statt. Am 24. Februar wohnten
Herr Stadtschulrat Dr. Hoß und der Vorsitzende unserer Schulpflegschaft, Herr
Facharzt Dr. Badde, der Prüfung bei.
Alle 52 Oberprimaner haben die Reifeprüfung bestanden. Hier ihre Namen so¬
wie die von ihnen in Aussicht genommenen Berufe:
Klasse Ol sa (Klassenleiter: Studienrat Gruhn):
V^illi Adams, Handorf
Heinz-Ulrich Eggert, Münster
Karl-Ferdinand Fricke, Münster
Walter Fricke, Münster
Bernd Görtz, Münster
Carl-Peter Hamei, Münster
Jürgen Hinz, Münster
Heinz Jaeckel, Münster
Klaus-Peter Kaücinski, Münster
Klaus Larmann, Münster
Walter Lindstrot, Münster
Wolfgang Nolte, Münster
Helmut Ranft, Münster
Klaus Röttgering, Münster
Franz-Peter Schmidt, Münster
Diplom-Ingenieur
Philologe
V o l k s w i r t
V o l k s w i r t
A r z t
P i l o t
Physiker
Volkswirt
Jurist
V o l k s w i r t
Diplom-Ingenieur
Philologe
Philologe
Wirtschaftsingenieur
B i o - C h e m i k e r
Klasse Ol sb (Klassenleiter: Stuidenrat Ehrhardt):
Peter Barth, Münster
Hubert Baumeister, Havixbeck
Jörg Foigmann, Münster
Karlfried Greuling, Münster
Michael Harengerd, Angelmodde
Heinrich Heidbrink, Münster
Wolfgang Hesse, Münster
Jürgen Köhn, Münster
Gerhard Lühn, Münster
Gerhard Merten, Ascheberg
Lutz Mertens, Münster
,Karl-Dietmar Möller, Münster
Ulrich Nagel, Munster
Ingenieur
Philologe
Philologe
J u r i s t
Zoologe
Volksschullehrer
Marineoffizier
Volkswirt
Philologe
Verleger
Volkswirt
Bau-Ingenieur
A r z t
^egen6hcrg6clyc ^udyhandlimg
Inhaber: Dr. Anna Lucas
Münster ●Alter Steinweg 1●Telefon 44812
S C H U L B Ü C H E R
●A t l a n t e n ●W ö r t e r b ü c h e r
*Das gute Jugendbuch
●Ta s c h e n b ü c h e r
9
�Der Abiturient Martin Jablonski (Ol m) erhielt für besondere Leistungen eine Buchprämie.
(Rechts: Oberstudiendirektor Dr. Spreckolmeyer; Mitte: Studienrat Hagemann.)
Reinhold Schapmann, Münster
Christian Sezuka, Münster
Wilfried Sudmann, Wolbeck
Hartwig Witte, Münster
Philologe
A r z t
A r z t
A r z t
Klasse Olm {Klassenleiter: Studienrat Hagemann):
Physiker
Physiker
kath. Theologe
Diplom-Mathematiker
Vo l k s s c h u l l e h r e r
Kybernetiker
Diplom-Ingenieur
J u r i s t
Diplom-Mathematiker
J u r i s t
A r z t
Philologe
Diplom-Ingenieur
L e b e n s m i t t e l c h e m i k e r
Vermessungs-Ingenieur
Kybernetiker
A r z t
Physiker
A r c h i t e k t
Straßenbau-Ingenieur
Georg Althoff, Münster
Hans-Georg Badde, Münster
Wolfgang Bonsiepen, Münster
Siegfried Eustermann, Münster
Reinhard Fichtner, Münster
Ulrich Garde, Borghorst
Klaus-Dietrich Hagge, Münster
Hans rieitgreß, Kattenvenne
Martin Jabionski, Münster
Ulrich Kaufmann, Münster
Franz-Josef Knust, Münster
Bernd Lindner, Münster
Gerhard Lottes, Münster
Gerhard Lux, Münster
Günter Möller, Münster
Manfred Plümpe, Münster
Helmut Quittek, Münster
Peter Schenk, Würzburg
Dirk Stöver, Münster
Horst-Dieter Wolters, Münster
1 0
�Abschiedsfeier für die Abiturientia 1965
Die feierliche Entlassung war auf Samstag, den 6. Mörz, gelegt. Um 9.00 Uhr
fand in der Lambertikirche und in der Erlöserkirche der Gottesdienst für die Abitu¬
rienten, ihre Eltern und die Schüler statt. Um 10.30 Uhr begann die Entlassungs¬
feier. Als Gäste waren erschienen der Vorsitzende des Schulausschusses der Stadt
Münster, Ratsherr Dr. Berg, ferner von der Erlöserkirche Herr Pfarrer Hilge, der
Vorsitzende der Schulpflegschaft des Schlaun-Gymnasiums, Herr Dr. Badde, eine
Reihe pensionierter Kollegen und viele Eltern unserer Abiturienten. Mit besonderer
Freude konnte der Leiter der Schule vier Herren der goldenen Abiturientia begrü¬
ßen, die, zum Jahrgang 1915 gehörend, bereits im August 1914 ihre Reifeprüfung
nach verkürzter Schulzeit ablegten, um als Freiwillige ins Heer einzutreten. Der Ein¬
ladung des Schulleiters an die „Goldenen" konnten Folge leisten die Herren Steu¬
eramtmann i. R. Böhm, Kinderarzt i.R. Dr. Sauer, Polizeioberstleutnant i. R. Spieker
und Regierungsbaudirektor i. R. Middeiberg. Der Direktor fand besonders herzliche
Worte des Dankes für Herrn Middeiberg für seine Verdienste als Vorsitzender des
Vereins der ehemaligen Schüler des Schlaun-Gymnasiums. Als Sprecher der Silber¬
nen Abiturientia, Jahrgang 1940, der ebenfalls aus Kriegsgründen bereits 1939 die
Schule vorzeitig verlassen mußte, wurde Herr Ruwe, Leitender Regierungsdirektor
beim Regierungspräsidenten von Münster, begrüßt. Mit Herrn Regierungsdirektor
Ruwe erschienen aus der Silbernen Abiturientia die Herren Bundesbahnoberspinktor
Dabeck, Kaufmann Erdmann, Dr. med. Oberliesen, Architekt Matschke, Realschul¬
lehrer Nadirk und Kaufmann Stephan.
Zur Vortragsfolge der diesjährigen Abschiedsfeier, die ganz von der Begegnung
dreier Abiturienten-Generationen geprägt war, gab der Schulleiter noch folgende
Erklärung; „Sicher hat es Sie, meine Damen und Herren, gewundert, die Jahre 1914
und 1939 an so betonter Stelle zu finden. Es ist nämlich ein besonderes, gemein¬
sames Schicksal, das die Abiturienten des Jahrganges 1915 und 1940 miteinander
verbindet. Beide Jahrgänge waren durch den 1. und 2. Weltkrieg gezwungen, ihre
Schulausbildung vorzeitig abzubrechen. Der Jahrgang 1915 legte unmittelbar nach
Kriegsausbruch am 5. September 1914 die Reifeprüfung unter außergewöhnlichen
Umständen ab. Der Jahrgang 1940 wurde z. T. schon im September 1939 eingezo¬
gen und auf diese Weise von einem gleichen Schicksal betroffen. Aus diesem Grunde
sollte am heutigen Morgen die Schicksalsstunde von 1914 und die von 1939 in Ge¬
dicht und Lesung beschworen, die Abiturientia des Jahrganges 1965 aber an ein
Wort des unvergeßlichen Theodor Heuß erinnert werden. Möge durch die Begeg¬
nung von 3Abiturientien des Schlaun-Gymnasiums, der goldenen von 1915, der
silbernen von 1940 und der Abiturientia von 1965 das Band, das alle Schlaun-
11
�Der „Goldene" Jahrgang 1915 mit seinem Klosscnleiter Dr. Poelmann (späterem Direktor der Schule)
im Jahre 1913 (= Obersekundo^
Schüler verbindet, fester werden und unsere Tradition im Menschlichen verwirk¬
lichen helfen!"
Es darf hier mit Stolz vermerkt werden, daß der Chor der Schule, in dem dies¬
mal nicht nur die bekannten Chorknaben, sondern auch der Männerchor der Schule
mitwirkten, sich seiner Aufgabe hervorragend entledigte —wie könnte es anders
sein unter der bewährten Leitung von Herrn Dr. Allerup? Auch unser junges Or¬
chester zeigte, daß Herr Dr. Bozzetti erfreuliche Aufbauarbeit geleistet hatte. Dank
auch an dieser Stelle allen, die an der Feier mitwirkten.
In der Feierstunde selbst wurde der Augusttage 1914 gedacht durch das R.ilke-
gedicht „August 1914" und das visionäre Gedicht „Grodek" von Georg Trakl aus
dem gleichen Jahr. Die Situation von 1939 erstehen zu lassen, wurde von dem —
künstlerisch weniger bedeutenden —Gedicht von Ina Seidel
A n d e n S t r a ß e n
August 1939" erwartet. Ein Zeugnis der inneren Haltung der Kriegsgeneration von
1939 aber bot der ergreifende „Kriegsbrief von der russischen Front", den ein An¬
gehöriger dieser Generation 1941 kurz vor seinem Tode als Vermächtnis schrieb
in seinem Bekenntnis zum wahren und seiner Abkehr vom schuldigen Deutschland.
Vor der Überreichung der Reifezeugnisse, für die in diesem Jahre eine graue
Mappe mit einem Bild des Erbdrostenhofes, erbaut von Johann-Konrad Schiaun
bereitet war, hielt der Direktor folgende Ansprache:
, v o r -
1 2
�„Wohl selten hat ein Direktor Gelegenheit, sich an drei Abiturientien seiner
Schule zu wenden, die altersmäßig 25 und 50 Jahre auseinanderliegen. Anstatt
einer gelehrten Frage, einem tiefgründigen Satz oder einer schulpolitischen Gegen¬
wartskalamität hier wohlausgerüstet nachzugehen, möchte ich den beklemmenden
Atem der Geschichte der Jahre 1914 und 1939 in der kleinen Weit unserer Schule
aufspüren und so der Erinnerung, nicht in letzter Schwere und Ausweglosigkeit, son¬
dern in Gelassenheit ein Opfer bringen. Für unsere Abiturientia kann es noch ein
sehr persönliches Bild zur Zeitgeschichte werden. Ich habe die Jahresberichte und
Unterlagen der Schule mit Sorgfalt studiert, und es war mir eine große Freude, daß
die Berichte der Jahre 1914/15 und 1939/40 noch vorhanden waren, während so
manche andere durch die Ungunst der Verhältnisse wohl auf immer verloren sein
d ü r f t e n .
Der XK Jahresbericht der Oberrealschule zu Münster über das Schuljahr 1914/15
enthält außer der noch sehr einfachen übersichtlichen Lehrverfassung die Unter¬
richtsverteilung des gleichen Schuljahres und damit die Namen der Oberlehrer und
Lehrer. Unter dem Direktorat von Dr. Hoffschulte waren 22 Lehrer tätig, darunter
ein Professor, 12 Oberlehrer und 9andere Lehrer. Als Oberlehrer ist in diesem
Jahr bereits an der Schule angestellt der spätere Direktor und Nachfolger von Dr.
Hoffschulte, Herr Dr. Poelmann, ferner der spätere Oberschulrat Dr. Bohlen und
der im vorigen Jahr verstorbene Oberstudienraf Ludwig Freibüter, der nach Aus¬
bruch des Krieges die sog. Liebesgabenaktion organisierte, ln 15 Klassen wurden
454 Schüler unterrichtet. Die Oberprima zählte 15 Schüler, die auf Grund des
Erlasses vom 1. 8. 1914 bereits in der Zeit vom 5. bis 8. August ihre Reifeprüfung
ablegten und mit dem Zeugnis der Reife zum Heeresdienst entlassen wurden.
Der Jahresbericht der Städt. Oberrealschule 1914/15 enthält eine Darstellung,
die in einem Jahresbericht fremdartig anmutet, die aber zeigt, wie die große Ge¬
schichte des Deutschen Reiches sich im kleinen Bezirk unserer Schule auswirkte. Der
Der Krieg". Und so beginnt er: „Die Zeugniskon-
Bericht trägt die Überschrift:
ferenzen waren vorüber, die Herbstzeugnisse lagen schon fertig vor, als am Sams¬
tag, dem 1. August, der Mobilmachungsbefehl an Deutschlands Heer und Flotte
erging. Am Sonntag, dem 2. August, rückten deutsche Truppen in Luxemburg ein!
Wer konnte da noch in diesen ersten Tagen allgemeiner Begeisterung an einen
ruhigen Unterricht denken! Der Ferienanfang war auf Dienstag, den 4. August,
festgesetzt; aber der Kriegsstimmung nachgebend, versammelten sich Lehrer und
Schüler am Montagmorgen in der Turnhalle, um nach einem jubelnden dreifachen
Hoch auf unseren Obersten Kriegsherrn mit dem Liede „Deutschland, Deutschland,
über alles" Abschied zu nehmen von der Schule, nach Hause zu eilen und den ins
1 3
�Der «Goldene" Johrgeng 1915, anläßlich seines Kriegsobifirrs im August 1914
Feld ziehenden Freunden und Verwandten Lebewohl zu sagenl" Zwei Stunden spä¬
ter bereits schlug das Pfadfinder-Vermittlungsamt, das unter der Leitung von Leh¬
rern der verschiedenen höheren Schulen Münsters stand, seinen Sitz in unserer Turn¬
halle auf. Der Bericht aber fährt fort:
Und während sich unten auf dem Hofe
und in der Turnhalle die Pfadfinder tummelten, trat im Obergeschoß bald diese,
bald jene „Kommission" für eine Notprüfung zusammen, der auf Grund täglich
einlaufender Verfügungen Oberprimaner, Unterprimaner, Untersekundaner und
alle auswärtigen Prüflinge unterzogen werden mußten ', die teils bereits als Sol¬
daten in fernen Garnisonen eingezogen waren. Dabei waren bereits in den ersten
drei Mobilmachungstagen sieben Herren des Lehrerkollegiums zu ihren Regimen¬
tern beordert. Der Bericht enthält weiter genaue Einzelheiten über die Kriegsschick-
saie der Lehrer und ehemaligen Schüler. Die Seite 22 ist schwarz umrandet und
enthält die Namen von 15 ehemaligen Schülern, die in der Zeit von August 1914
bis Februar 1915 ihr Leben hingaben, Angehörige der Generation von Langemarck.
In diesen ersten Monaten waren vier Lehrer unserer Schule gefallen. Vom Abitu-
rientenjohrgang 1915, der seine Reifeprüfung bereits im August 1914 ablegte, sind
heute 4Herren anwesend. Aus der Lehrergeneration dieses Jahrgangs erfreuen
sich noch guter Gesundheit: Studienrat Schmidt, der z. Z. im Sauerland weilt und
den Abiturienten herzliche Glückwünsche übermitteln läßt, ferner Oberstudien¬
direktor Dr. Poelmann, der in der Nähe von Fulda wohnt, und Herr Oberschulrat
1 4
�a. D. Dr. Bohlen. Ich möchte diesen Rückblick nicht abschließen, ohne diesen Lehrern
und den goldenen Abiturienten herzlichste Wünsche für ihren weiteren Lebensweg
z u s a g e n .
Und nun zur silbernen Abiturientia:
„Das Schuljahr 1939/40 begann am 18. April mit der bekannten Flaggenehrung",
wie es im Bericht der Schule heißt. 43 Lehrer unterrichteten 709 Schüler in 24 Klas¬
sen. Von den Lehrern des Jahres 1939 gehören noch heute dem Kollegium an: die
Oberstudienräte Dr. Henke und Dr. Lütgen, die Studienräte Otte und Hungerberg.
Der Bericht über die Wochen vor dem Kriegsausbruch läßt in seiner Nüchtern¬
heit nichts von Kriegsbegeisterung verspüren, wo doch organisierte Begeisterung
zu den selbstverständlichen Haltungsbekundungen jener Jahre gehörte. Ich zitiere
aus dem Bericht von Oberstudienrat Dr. Oebicke: „Der Sommer war äußerlich ruhig
abgelaufen. In der Schülerwerkstatt wurde fleißig gebastelt, die astronomische
Arbeitsgemeinschaft tagte auf der Sternwarte, besprach dort oben aber auch die
Möglichkeit, daß der Turm eines Tages das Ziel feindlicher Flieger werden könne.
Denn im Gebälk des deutschen Reiches knisterte es vernehmlich. Die Diplomaten
waren sehr aktiv. Der Luftschutzbund entwickelte eine fieberhafte Tätigkeit, um
Männer und Frauen im luftschutzmäßigen Verhalten bei Fliegeralarm zu schulen.
Es wurden Verdunkelungsübungen abgehalten und die Einrichtung eines Luftschutz¬
kellers in jedem Hause verlangt. Trotzdem glaubte niemand an Krieg, weil er
ja nur mit dem Untergang von ganz Europa enden und unermeßliches Elend über
die Welt bringen würde ...Doch vorerst gingen wir in die Ferien und verlebten
herrliche Tage bei schönstem Wetter. Die Zeitungen allerdings und der Rundfunk
berichteten von Zusammenkünften der Staatsmänner. Der aufmerksame Beobachter
bemerkte Truppenbewegungen gegen die Grenzen des Reiches. Plötzlich standen
Posten an Brücken und Bahnübergängen. Auf den Dächern der Grenzbahnhöfe
wurden Maschinengewehre aufgestellt ..." Der Bericht bringt noch weitere Ein¬
zelheiten und dann den einfachen Satz: „28 Schüler der 8. Klasse wurden zum
Wehrdienst eingezogen". Das Schülerhauptverzeichnis enthält genau die Daten, an
denen die einzelnen Schüler die Schule verlassen mußten. Die drei Klassen 8a, b
und cverloren täglich Mitglieder. Nur ein kleiner Rest —14 von 42 —wurde ord¬
nungsgemäß im Frühjahr 1940 einer Prüfung unterzogen. Mit ihnen erhielten die 28,
die bereits im Felde standen, das Zeugnis der Reife zuerkannt. 19 von 42 dieses
Jahrganges sind m. W. im Verlauf des Krieges gefallen. Ihre Namen und ihr An¬
d e n k e n b e w a h r t
i n T r e u e d a s E h r e n m a l d e r S c h u l e .
Ich möchte auch der Silbernen Abiturientia des Schlaun-Gymnasiums, deren An¬
gehörige nunmehr generationsmäßig auf der Höhe des Lebens und des Schaffens
1 5
�Stehen, alles Gute für die Zukunft wünschen und sie bitten, als Schiaunschöler die
Verbindung mit ihrer alten Schule zu bewahren.
U n d n u n z u E u c h :
Und das hat zunächst die diesjährige Abiturientia mit der goldenen und sil¬
bernen gemeinsam: Auch in diesem Jahrgang haben alle das Reifezeugnis erreicht.
Der Rückblick aber, den wir aus dem unmittelbaren Bericht der Schule wagten, hat
die große Schicksalsverschiedenheit der Generationen offenkundig gemacht. Wenn
auch die heutige Weltstunde wahrhaftig nicht ohne ernste Gefahr ist: Sie haben
jetzt noch die große Chance, ohne Bruch Ihr Leben zu leben und sich für eine Zu¬
kunft in Staat und Gesellschaft vorzubereiten, Freiheit und Verantwortung abzu¬
wägen. Wir als Ihre Lehrer können nicht voraussehen, was Sie aus Ihrem Leben
machen, ob Sie es verspielen in kleiner Münze oder ob Sie in Ernst und Treue durch
alle Zeitumstände hindurch um das Ewige im Menschen bemüht sind. Darf ich das
Bild, das ich zu Beginn der Prüfung gebrauchte, hier wieder aufnehmen, auch wenn
es altmodisch erscheint: Die Schule hat gesät. Wenn Sie sich mühen, wird der
Herr die Ernte Ihres Lebens segnen.
Und so möchte ich Ihnen das Zeugnis der Reife übergeben: im Vertrauen auf
ein gutes Gelingen, in der Erwartung, daß Sie Ihr Bestes geben und nicht zuletzt
mit guten Wünschen Ihrer alten Schule, deren Türen auch in Zukunft stets für Sie
offenstehen i"
1 6
�Worte unseres Schulsprechers bei der Abiturienfen-Entiassung
Wie ist das nun, wenn ihr heute da sitzt in unserer Aula und Abschied nehmt
von euren Lehrern und von uns, euren Mitschülern? Seid ihr glücklich?
Ihr werdet sagen:
reicht haben."
Das ist doch selbstverständlich, da wir ein erstes Ziel er-
Soweit wird das richtig sein. Aber man könnte sich denken
und man hat
es sagen hören —, doß auch ein bißchen Wehmut dabei ist. Keiner braucht sich
dessen zu schämen. Denn ein Stück eures Lebens ist vorüber, und ihr geht in eine
Zukunft, die manchem von euch fremd, unbestimmt und vielleicht unbehaglich er¬
scheinen mag. Ihr müßt jetzt allein gehen. Eure Kameraden werden in alle Winde
zerstreut, und eure Lehrer rücken euch ferner und ferner.
Nehmt gute Erinnerungen mit, und vergeßt die weniger guten! Wenn der alte
Charles Lamb schreibt: „Why are we never quite at our ease in the presence of
aschoolmaster?" —so muß man das nicht zu ernst nehmen. Wir machen oft an¬
dere Erfahrungen. Der erste Bundespräsident wußte sich im hohen Alter noch zu
erinnern an die Räume und Korridore seiner Schule, an die Figuren und Inschriften
darunter. Auch ihr werdet solche Erinnerungen mitnehmen. Bewahrt, was ihr In
euren besten Stunden gedacht, euch geschworen und getröumt habt! übrigens wird
auch über eure Träume die Tat entscheiden. Seid nicht zu fleißig! Verhaltet euch
so, wie ihr es ouf dem Schlaun-Gymnaslum gelernt habt! Der Kopf ist nicht der
einzige wertvolle Teil des Menschen. Man muß auch singen können und tanzen
u n d a u t o f a h r e n .
Ihr wollt mit der Zeit gehen? Das ist richtig. Aber kommt von Zeit zu Zeit
zurück! Wenn ihr im obersten Stockwerk angekommen seid, so vergeßt nicht,
daß es auch untere Stockwerke gibt und Treppen und Stufen.
Laßt mich mit einem Wort von Ringelnatz schließen:
,Die Erde hat ein freundliches Gesicht,
So groß, daß man's von weitem nur erfaßt.
Komm, sage mir, was du für Sorgen hast!
Reich willst du werden? Warum bist du's nicht?"
Thomas Abeier {UI sb)
.Wacht darüber, daß eure Herzen nicht leer sind,
wenn mH der Leere eurer Herzen gerechnet wirdl"
N B :
Obige Worte von Günter Eich standen auf der Abiturkarte unserer dies¬
jährigen Abiturientia.
1 7
�iiiiiilllii
Landesbank für Westfalen
Girozentrale
öffentlich-rechtliche Körperschaft
M Ü N S T E R / W E S T F .
B I E L E F E L D
D O R T M U N D
Zentralbank der westfälischen und lippischen Sparkassen
A U S F Ü H R U N G
A L L E R
B A N K G E S C H Ä F T E
Abteilung der Landesbank:
W E S T F Ä L I S C H E
L A N D E S
- B A U S P A R K A S S E
i b
�Ansprache des Sprechers der Abiturientia
Schon beim letzten Teil meiner Anrede hatte ich Schwierigkeiten. War es rich¬
tig zu sagen: „Liebe Mitschüler?" Denn wo steht der Abiturient eigentlich? Er steht
ein bißchen über den Schülern, ein ganzes Stück unter den Lehrern und ge¬
wissermaßen neben sich selbst. Er ist uneins geworden mit sich, well er dos
nicht mehr Ist, was er war, und das noch nicht, was er wird. Es dauert noch eine
schöne Zeit, bis er sich entpuppt zum fleißigen Studenten, zum Geldverdiener oder
—nach dem Worte Wolfgang Borcherts:
„Zicke Zacke Juppheidi,
schneidig ist die Infantrle" —
zum zickig zackigen Bundeswehr-Soldaten.
Er ist für unsere Zukunft von einiger Bedeutung, der Reifezeugnisschein. Oder
sollte man besser sagen: der Schein der Reife? Zwar könnte der Abiturient Geld¬
verdiener und Soldat auch ohne ihn werden. Aber —erinnern wir uns! —wie
leicht könnte man einmal gefragt werden, sogar von höhergesfellten Persönlich¬
keiten: „Haben Sie überhaupt das Abitur?" Offenbar ist das Reifezeugnis in den
Augen mancher ein Testat zur Satisfaktionsbefähigung auf geistigem Gebiet ge¬
worden. Große Unterschiede auf diesem Gebiet gibt es aber nicht nur zwischen
Nichtabiturient und Abiturient, sondern auch zwischen Abiturient und Abiturient.
Während sich der eine seine ganze Schullaufbahn hindurch vom Wohlwollen seiner
Lehrer ziehen und tragen ließ, hatte der andere das nicht nötig. Der eine nutzte
jede Möglichkeit, etwas zu lernen; dem anderen genügte es, wenn er allösterlich
gerade versetzt wurde. Der eine stellte sich gern der Begegnung mit Ideen, gei¬
stigen Werten und Menschen; er sah auch im Lehrer einen Menschen. Der andere
versuchte, Unmassen von Wissensmaterial in sich anzuhäufen; er sah im Lehrer
den Wissensvermittler. Kurzum: die einen waren bessere, die anderen weniger
gute Schüler, solche, bei denen die Lehrer oftmals allen Grund hatten, darüber
zu klagen, daß sie ihre Perlen vor eine gewisse Art von Haustieren zu werfen
h ä t t e n .
Immerhin haben Sie, verehrte Lehrer, uns zu Abiturienten gemacht, wenn auch
oftmals im wahrsten Sinne des Wortes „herangezogen". Es ist an dieser Stelle für
den Sprecher einer Abiturientia üblich, seinen Lehrern dafür zu danken. Ich möchte
das nicht tun, weil es üblich ist, sondern weil wir, wenn wir uns zurückbesinnen,
erkennen, daß es eine mühevolle Arbeit war, eine Arbeit, von der mehr wir als
Sie den Lohn trugen. Dank möchte ich an dieser Stelle auch unseren Eltern sagen,
die uns nicht nur sieben, wie es in der Ballade vom Hemd heißt, sondern zwanzig
Jahre getragen haben und auch heute noch nicht sagen: „Ich kann es nicht tragen
mehr" —obwohl es trotz der 40 DM Schülergeld noch eine ziemliche Belastung
des familiären Etats bedeutet, einen Studenten zu unterhalten. Ich glaube, es wäre
1 9
�der schönste Erfolg für Sie, liebe Lehrer, und für Sie, liebe Eltern, wenn wir in Zu¬
kunft den uns gebotenen Perienschmuck würdiger zu tragen vermöchten.
Die äußerliche Voraussetzung bekommen wir mit dem Reifezeugnis. Es ist dabei
gleichgültig, in welche der genannten Kategorien der Einzelne fällt. Der Schein
macht uns nur scheinbar gleich. Er wahrt den Schein der Reife. Aber darüber,
glaube ich, gibt es keinen Zweifel, daß sich keiner von uns mit dem heutigen Tage
grundlegend ändern wird.
Ich glaube daher: Der Schein wahrt den Schein nur scheinbar. Aber in anderer
Hinsicht bedeutet dieses Datum einen wichtigen Einschnitt und —damit komme ich
auf den Anfang zurück —eine wichtige Veränderung in unserem Leben: Wir sind
der Schule entwachsen. Wir sind erwachsen. Wir vollziehen den berühmten Schritt
ins Leben und wollen zeigen, daß wir ihm gewachsen sind.
Ulrich Garde
G R 0 D E K
1 9 1 4
tönen die herbstlichen Wälder
Am Abend
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düster hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt.
Das vergoss'ne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
Ostolze Trauerl Ihr ehernen Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungeborenen Enkel.
Georg Trakl
2 0
�e
0
©0(5)
.Ü-Si
v o
Ün Dukahnesel wär*e nichtschlechh
Leiden sind seine Dukaten nicht echt
Wen klag ist, weiß meinen l^ofteiizu wahren.
Die echte GieXdxuOithevhwmXheißt: Spat'en!
S B A N K
Kriegsbrief von der russischen Front (Auszug)
O k t o b e r
1 9 4 1
Wir wollen gemeinsam in der furchtbaren Not der Zeit an dem Geist dieses
Zeitalters, an den guten Geistern, an den Werken und Worten der Meister fest-
halten, diesen Blick niemals verlieren, bis endlich einmal diese Qualen ousgel/tten
sind und wir in unsere geistige Heimat zurückkehren dürfen! Dann wird zwischen
Blut und Tod, Eiskälte und Schlamm .... strahlend jenes Wort aufleuchten, das
ungeschrieben über den Namen Herder und Lessing, über dem Zeitalter von Leib-
niz bis Goethe steht, jene humoni/os, jene hohe, reine Menschlichkeit, an der ver¬
zweifelnd festzuhalten in tierischer Umgebung auch zum Idealismus des Trotzdem
gehört. Verstehst Du, wie sich diese beiden Arten Idealismus, der echte und der in
Anführungsstrichen, unterscheiden? Jener fordert eine ungeheure Kraft, ja etwas
wie Heldentum, dieser produziert ein leicht in sich selbst sich wiegendes Pathos
mit nationalen Redewendungen. Jener verzehrt uns in seiner Glut, dieser stört unser
Leben nicht, lehrt uns, an ein „Für" zu glauben, das es nicht gibt. Es gibt für mich
hier draußen kein „Für", nur ein „Gegen". Aber ist es meine Schuld, daß ich ge¬
zwungen falsch orientiert bin? Verflucht die Schuldigen!
Harald Henry (Jahrgang 1919,
gefallen 1941)
C A R L
M A R M O R
F L O R A
M Ü N S T E R
i
'
+ N A T U R S T E I N I N D U S T R I E
21
�Am 23. Juli 1964 mußten wir unsern ver¬
ehrten früheren Lehrer und Kollegen
H e r r n O b e r s f u d i e n r a t
Ludwig Freibüter
zu Grobe tragen. Er war in der Frühe des
20. Juli 1964 nach einem ungemein reichen
und gesegneten Leben in die Ewigkeit ab¬
gerufen worden.
Da er seit 1946 im Ruhestand lebte, ist
er unseren derzeitigen Schülern zwar ein
Fremder. Umso mehr werden jedoch un¬
sere Ehemaligen ihn in guter und dank¬
barer Erinnerung haben.
Herr Freibüter war seit 1910 Lehrer an
dem damals noch Oberrealschule genann¬
ten heutigen Schlaun -Gymnasium. Sein
Name ist also aufs engste mit der Ge¬
schichte unserer Schule verbunden. Er u n ¬
terrichtete in Mathematik, Physik und Bio¬
logie und war einer unserer angesehensten Lehrer. In den Johren, in denen Deutsch¬
land dem Nationalsozialismus verfiel, blieb er der ihm anvertrauten Jugend ein
unbeirrbares Vorbild der Festigkeit und Wahrheit. Seine Seelenstärke verdankte
er wohl nicht zuletzt seinem berühmten Taufpaten Ludwig Windihorst, der seinem
Täufling Ludwig Freibüter
Vorbild wurde. In der Nachfolge seines Taufpaten
fand Herr Freibüter Zeit und Kraft, auch außerhalb der Schule tätig zu werden. Jahr¬
zehntelang stand er an der Spitze des Diözesanverbandes der Vinzenzkonferenzen.
Bis kurz vor seinem Tode war er stellvertretender Vorsitzender des Caritasverban¬
des im Bistum Münster. Bei Beendigung des 2. Weltkrieges widmete er sich insbe¬
sondere dem Aufbau der katholischen Männerfürsorge. Schließlich war er sechs
Jahre lang Ratsherr der Stadt Münster und als solcher vor allem im Schulausschuß
sowie auf dem Gebiete der Wohlfahrt tätig. Papst Pius XII. würdigte seine hin¬
gebungsvolle karitative Tätigkeit, indem er ihm den päpstlichen Orden „Pro Eccle¬
sia et Pontifice" verlieh.
z u m
„In den 36 Jahren seiner Tätigkeit
Sein einstiger Kollege, unser unvergeßlicher Dr. Oebike, der 1954
v o n u n s g e -
gangen ist, hot über Oberstudienrot Ludwig Freibüter folgendes niedergeschrieben:
der Oberrealschule, der späteren Schlaun-
Schule, hat Ludwig Freibüter recht segensreich gewirkt. Er war in erster Linie Mathe¬
matiker, in zweiter Linie Physiker und Biologe. Seine Schüler schätzten ihren Papa
Freibüter sehr wegen seines grundgütigen Wesens und seines guten Herzens. Wenn-
2 2
a
n
�gleich sein Ton etwas laut war, war er doch nicht furcht- und schreckenerregend. Nie
wurde er durch grobe Worte verletzend oder beleidigend. Aber manchen Schüler
hat er durch ein ernstes und bestimmtes Wort wieder auf den rechten Weg gebracht.
Im Kollegium genoß er größtes Vertrauen wie selten jemand. Er war offen, ge¬
recht und frei von jeder Menschenfurcht .... Am 1. Oktober 1927 wurde er auf
einstimmigen Vorschlag des Kollegiums hin Oberstudienrat und als solcher stän¬
diger Vertreter des Direktors. Er war Meister in der Anfertigung des Stundenplanes
und hat nach dem Abgänge von Direktor Dr. Poelmann die Schule geführt bis zum
Amtsantritt von Direktor Dr. Eggers im August 1939. Und als dieser Betreuer aller
Luftwaffenhelfer im Bezirk des VI. Armeekorps wurde, hat er die Schule bis zum
Zusammenbruch des 1000jährigen Reiches geleitet."
e t w a s s p a r e n
etwas haben
etwas sein
Niemand ändert sein Leben, wenn
er heute dies und morgen das be¬
ginnt, um ein paar Mark mehr zu
v e r d i e n e n .
V O M
Z U R Ü C K L E G E N ,
V O M
B E W A H R E N K Ö N N E N .
V O M
S P A R E N
hängen
Glück und Wohlstand ab.
SPARKASSE DER STADT MÜNSTER
2 3
�Mit dem Ende dieses Schuljahres neh¬
men wir Abschied von unserem lieben und
v e r e h r t e n
Lehrer und Kollegen
Herrn Oberstudienrat Gradaus
Wegen eines Leidens, das er sich im
letzten Kriege zuzog, mußte er sich vor¬
zeitig in den Ruhestand versetzen lassen.
Er wor seit 1952 am Schlaun-Gymna-
sium tätig, seit 1959 als Fachoberstudien¬
rat für Englisch.
Er konnte nicht einmal seine
letzte Ober¬
prima —die diesjährige Ol sa —ins Abi¬
tur führen, was ihm selbst wie seinen
Schülern besonders schmerzlich war.
Wir leben gewöhnlich der Vorstellung, daß die Folgen des 2. Weltkrieges
narbt und überwunden seien. Aber an persönlichen Schicksalen werden sie
immer wieder vor Augen geführt. Herr Gradaus steht in seinem 55. Lebensjahre. Er
hätte noch mehr als eine ganze Schülergeneration durch die höhere Schule geleiten
können.
Mancher wird sich noch gern der Fahrten entsinnen, die er unter Herrn Gradaus
Leitung nach Dijon oder später nach Orleans mitgemacht hat. Seiner Initiative ist
es in erster Linie zu verdanken, daß der Austausch mit Frankreich überhaupt
S t a n d e k a m .
u n s
z u -
v e r
-
Da er z. Z. im Sanatorium Valbella in Davos weilen muß, konnten wir nicht ein¬
mal in gebührender Weise von ihm Abschied nehmen. Wir hoffen jedoch, daß
uns Gelegenheit gibt, das zu gegebener Zeit nachzuholen,
e r
Einer unserer Chorknaben berichtet von seiner Fahrt nach Orleans
(7. bis 11. Mai 1964)
Am Morgen des 7. Mai fuhren wir mit einem Bus von Münster ab. Es ging zu¬
erst nach Wesel am Niederrhein und von dort nach Geldern. Darauf fuhren wir
über die deutsch-niederländische Grenze. Hinter Maastricht veränderte sich die
Landschaft. Die Straßen wurden enger, die Häuser ärmlicher. Die erste belgische
Stadt, die wir sahen, war Lüttich. Dahinter begannen die Ardennen. In der blühen¬
den Landschaft mit ihren sommergrünen Wäldern und fruchtbaren Feldern lagen
die Fronten des ersten Weltkrieges. Hier waren die Schlachten, in denen Tausende
ihr Leben lassen mußten. Wir sahen viele Soldatenfriedhöfe.
In Reims, der Hauptstadt der Champagne, machten wir eine Pause, die wir
dazu benutzten, die Kathedrale zu besuchen. Um sie allein von außen zu studie-
2 4
�ren, hätte ich mehrere Tage gebraucht. Ich stand eine Viertelstunde vor dem Haupt¬
portal, um wenigstens einige Figuren genauer zu betrachten. Als ich dann in das
halbdunkle Kircheninnere trat, fielen mir zuerst die bunten Fenster auf. Ober dem
Portal sah ich eine große Rosette. An den Wänden hingen Teppiche, die Bilder aus
dem Leben Jesu darstellten. Geradeaus fiel mein Blick auf einen prächtigen, mit
Gold verzierten Altar. In dieser Kirche wurden die meisten französischen Könige
gekrönt. Die Stadt erhielt ihren Namen nach dem Bischof Remigius, der König
Chlodwig, den ersten König der Franken, taufte.
Auf unserer Weiterfahrt kamen wir an Schloß Fontainebleau vorüber, vor dem
Napoleon einst seine Garde verabschiedete, bevor er ins Exil ging.
Nach ungefähr einer Stunde Weiterfahrt kamen wir in Orleans an. Wir wur¬
den im Rathaus empfangen. Dann zogen wir ins Lycee Pothier, wo wir wohnen
s o l l t e n .
Nach dem Abendessen gingen wir in die Stadt zur Kathedrale, die fast so groß
und prächtig ist wie die von Reims. Vor ihr wurde die Fahne der Jeanne d’Arc dem
Bischof von Orleans übergeben. Es war ein gewaltiges Schauspiel. Die Kathedrale
wurde angestrahlt. An den Häusern wehten die Fahnen Frankreichs und die der
Stadt Orleans. Zum Abschluß stieg aus der Kathedrale roter Rauch auf, so daß es
aussah, als stände der gonze riesige Bau in Flammen. Es erinnerte mich an unsere
Heimattage, bei denen ich manches Mal auf der Tribüne mitgesungen und die er¬
leuchtete Lambertikirche gesehen hatte.
Am nächsten Morgen gingen wir in die Grand’ Messe. Die Kirche war prächtig
geschmückt. An jeder Säule hing das mit Fahnen geschmückte Wappen einer fran¬
zösischen Stadt. In der Messe wurde nur französisch und lateinisch gesprochen.
Noch der Messe gingen wir ins Lycee. Jeder von uns wurde von einer franzö¬
sischen Familie zum Mittagessen abgeholt. Das hatten der Direktor Soudan und
der Musiklehrer Tartarin geregelt, die uns von ihrem Besuch in Münster her kann¬
ten. Mich holten ein Junge und zwei Mädchen ab. Sie waren Schüler des Lycee
Pothier. Ich kratzte meine französischen Kenntnisse zusammen und versuchte mich
zu verständigen. Man fragte mich, wie alt ich sei. „J'ai quatorze ans", antwortete
ich. Ich hatte diesen Satz aus unserm Übungsbuch behalten. Der Junge konnte
etwas Deutsch. Später stellte sich heraus, daß eine von seinen Schwestern ziemlich
gut Englisch sprach. Nun klappte die Verständigung natürlich ausgezeichnet. Ich
wurde in einem Citroen 2CV abgeholt. Meine französische Familie wohnte gegen¬
über dem Rathaus. Ich lernte nun auch die Eltern von Jean Claude, meinem fran¬
zösischen Freunde, kennen. Sie woren sehr freundlich zu mir.
Nach dem Essen fuhr mich die Familie durch die Straßen der Stadt. Dabei er¬
lebte ich folgendes: Wir hielten an einer Kreuzung, auf der bereits ein anderer
Wagen stand. Unser Chauffeur gab dem fremden Fahrer ein Zeichen, anzufahren.
Der andere tat jedoch dasselbe. Keiner wollte zuerst fahren. So warteten wir eine
ganze Zeitlang. Schließlich fuhr der andere mit einem freundlichen Lächeln an
u n s v o r b e i .
Unser Chor ging am Nachmittag zur Place du Martroi mit dem Reiterstandbild
2 5
�der Jeanne d’Arc. Dort sahen wir uns von der Tribüne aus den Festzug an. Zuerst
kam ein Mädchen angeritten, das die Rüstung der Jeanne d’Arc trug, ein Schwert
an der Seite, eine Standarte in der Hand. Mehrere „Ritter" begleiteten sie. Dar¬
auf folgten Musikkopellen und Abordnungen aus vielen Ländern, in dem Gefolge
sah ich den Oberbürgermeister von Münster. Auch der Bischof von Orleans, Dom¬
herren und Priester gingen in dem Zuge mit. Ich sah Volksgruppen in ihren heimat¬
lichen Trachten. Ich war gewaltig beeindruckt.
Am nächsten Morgen fand eine Generalprobe im Theater statt. Da ging es hart
her. Denn wir hatten ein langes Programm und mußten auswendig singen. Nach¬
mittags fand das Konzert statt. Wir bekamen viel Applaus und mußten mehrere
Zugaben machen. Nach dem Konzert hatte jeder eineinhalb Stunde Freizeit, die ich
dazu benutzte, mit Jean Claude die Stadt zu besuchen. Ich sah die Brücken der
Loire, über die altere ist Jeanne d'Arc seinerzeit siegreich in die Stadt eingezogen.
Am Abend waren wir auf Schloß Cheverny zum Singen eingeladen. Dort sollte
ein Festbankett staltfinden. Mit dem Bus ging es die Loire entlang. Auf unserer
Fahrt dorthin sahen wir das Schloß Chambord. Es war wie alle Loire-Schlösser ein
Jagdschloß. Eine 32 Kilometer lange Mauer zog sich um die riesige Waldfläche,
in deren Mitte das Schloß lag. ln seiner Pracht machte es auf mich den Eindruck
eines Märchenschlosses.
Mit unseren fröhlichen Liedern kamen wir gut an. Wir mußten vieles wieder¬
Am nächsten Morgen sangen wir in der Kathedrale von Orleans. Unser „Ave
und andere Chöre klongen wunderbar in den gewaltigen Gewölben der
Kathedrale. Alte Mütterchen kamen zu uns und bedankten sich.
h o l e n .
v e r u m
Nach der Messe verabschiedeten wir uns von unseren französischen Familien.
Wir mußten nach Münster zurück. Lange noch winkten wir uns gegenseitig zu.
Wir nahmen den Rückweg über Paris. Bald kamen die Vororte der Stadt in
Sicht. Riesige Häuserblöcke, dreispurige Fahrbahnen empfingen uns. Der Flug¬
hafen Orly tauchte auf. Es ging den Boulevard St. Michel entlang zum Quartier
Latin. An dem Palais du Luxembourg und dem Jardln du Luxembourg kamen wir
vorbei. Dann ging es über eine Brücke auf die Ile de la Cite. Mein Blick fiel auf
„Notre Dame". Daneben sah ich das Reiterstandbild Karls des Großen. Über die
Rue de Rivoli fuhren wir am Louvre entlang. Die Straße endete auf der Place de la
l^arffeel}au6 H[)ennemamt
H A N D O R F
D A S B E L I E B T E A U S F L U G S L O K A L A N D E R W E R S E
2 6
�Concorde, wo der große Obelisk gen Himmel ragte, ln den Tuileriengörten spiel¬
ten Kinder. Ich sah den Are de Triomphe. Einen römischen Triumphbogen könnte
ich mir nicht größer vorsteilen. A's wir die Avenue des Champs Elysees entlang¬
fuhren, sahen wir die US-Botschaft. Von dort ging es zum Eiffel-Turm.
Wir kamen glücklich wieder aus Paris heraus. Abends waren wir in Reims. Schon
in Orleans hatte man von dort nach uns geforscht. Man hatte den Chor des Schlaun-
Gymnasiums eingeladen, bei der dortigen Jeanne d’Arc-Feier ebenfalls zu singen.
Trotz dem langen Tage waren wir frisch und munter wie immer, wenn es heißt
zu singen. Unser Platz war vor dem Hause, in dem Jeanne wohnte, als sie zur
Krönung ihres Königs in Reims war.
Bevor wir am anderen Morgen weiterfuhren, sangen wir in der Kalhedrale „Lobet
den Herrn" als Dank und zugleich als Bitte für eine gute Heimfahrt. Auf dem Rück¬
wege legte Herr Dr. Allerup auf dem Soldatenfriedhof an dem Grab eines unbe¬
kannten Gefallenen den Blumenstrauß nieder, den er von der Stadt Orleans er¬
h a l t e n h a t t e .
Nun hoffe ich, daß ich noch einmal in meinem Leben Gelegenheit habe, nach
Frankreich zu fahren. Ob die zweite Reise aber so schön oder gar noch schöner
wird als unsere Fahrt nach Orleans, weiß ich nicht.
Frank Heise (Olllsa)
Berlin 1953 —Berlin 1964
In der zweiten Juniwoche des vergangenen Jahres wellte unsere Ol min Berlin.
Am „Tag der deutschen Einheit" berichtete sie uns von ihren Erleb¬
nissen und Erfahrungen.
Nachdem einer der Oberprimaner in kurzen Strichen die politische Entwicklung
vom Londoner Protokoll bis zum Mauerbau aufgezeigt und ein Kurzfilm aus alten
Wochenschauen noch einmal die T34 gegen die Aufständischen in den Straßen
Berlins hatte rollen lassen, berichteten seine Kameraden von ihren Eindrücken aus
der geteilten Stadt elf Jahre nach dem 17. Juni 1953.
Heute prägt die Mauer das Gesicht Berlins, über sie sagte der erste Bericht¬
e r s t a t t e r :
„Die Fenster in den verfallenen Gebäuden der Bernauer Straße wurden vor
langer Zeit hastig zugemauert, und in Ritzen, Löchern und Vorsprüngen nisten Tau¬
ben, Spatzen und Schwalben. Ein verregnetes Holzkreuz erinnert daran, daß hier
eine alte Frau bei dem Versuch, aus dem dritten Stock eines dieser nun zugemauer¬
ten Häuser zu springen, mit dem Kopf auf das Pflaster schlug. —ln dieser Straße
gingen wir ein wenig auf und ab, setzten uns ober bald auf eine der Bänke, denn
es war sehr heiß; lange blieben wir jedoch nicht, da es an diesem Morgen noch
viel zu sehen gab in Berlin.
Entschuldigt, wenn Ich diese Grenze, die im allgemeinen als klaffende Wunde
im Herzen Deutschlands bezeichnet wird, so kühl schildere. Aber wenn man die
aufgeschichteten Steine und die zugemauerten Fenster betrachtet, wird man nur
an eine schaurige Moritat erinnert.
27
�Später habe ich mich in Ostberlin mit einem Bekannten aus der SBZ treffen
können, der noch kurz vor dem Ausbau dieser Grenze bei uns war. Wir begrü߬
ten uns vor dem Bahnhof, gingen zum Essen und setzten uns in einem großen Park
auf eine Bank. Ausgiebig unterhielten wir uns über unsere Familien, unsere wirt¬
schaftlichen Verhältnisse und —mit etwas gedämpfter Stimme —über Politik. Lange
saßen wir so und erzählten, bis es dunkel und kühl wurde. Dann standen wir auf
und gingen langsam auf das neue, moderne Bahnhofsgebäude in der Friedrich¬
straße zu, von dem aus Westdeutsche und Ausländer abfahren. Vor dem Bahnhof
verabschiedeten wir uns. Ich trat in die hetlerleuchtete Halle, und bevor ich dem
Volkspolizisten meinen Personalausweis und den gelben Passierschein zeigte, drehte
ich mich noch einmal um und winkte der grouen Gestalt in der Dämmerung, die
hinter dickem Glas mit heller Hand antwortete. Schnell schob ich dem Vopo den
gelben Schein zu und kaufte mir für zwanzig Pfennig eine Fahrkarte nach West¬
berlin. Dann fuhr ich mit dem Zug unter der verdammten Grenze hindurch."
Die Oberprimaner versuchten ohne Schlagworte und Parolen, vielmehr in nüch¬
terner Beobachtung', Berlin zu sehen, wie es sich ihnen drei Jahre nach der Errich¬
tung der Mauer zeigte. Jeder beschränkte sich auf einen Einzelaspekt; einer be¬
richtete über Städtebild und Bautätigkeit diesseits und jenseits der Mauer, ein
anderer über das Alltagsleben des Ostberliners, ein dritter über die Meinungs¬
freiheit unter Ulbrichts Regime.
Dabei mußte der Eindruck vermittelt werden, den die Klasse zunächst von Ost¬
berlin gewonnen hatte: „Es ist ja gar nicht so schlimm. Das Leben unter den ,Linden'
scheint sich nicht wesentlich von dem auf dem Kurfürstendamm zu unterscheiden."
Das neue Wohnviertel am Alexanderplatz zeigte den Besuchern freundliche, mo¬
derne Züge, die sich wohltuend abhoben, von der Zuckerbäckerfassade der Stalin-
Allee; das HO-Kaufhaus im Zentrum der Stadt bot eine reiche Auswahl an Lebens¬
mitteln, Textilien und Spielwaren; Ostberliner konnten ungestört auf dem Schiff¬
b a u e r d a m m m i t
i h r e n K o f f e r r a d i o s d e n R i a s - S e n d e r h ö r e n .
Erst als die Oberprimaner genauer hinsahen, bemerkten sie, wie der totalitäre
Staat hinter diesen schönen Fassaden das Leben seiner Bürger bis ins einzelne regelt
u n d b e s t i m m t .
Aus dieser doppelten Erfahrung ergab sich der Aufbau der Referate. In einem
ersten Durchgang schilderten die Oberprimaner zunächst die blendende Oberfläche,
um dann in Korreferaten —vom selben Schüler zum selben Thema geholten —Hin¬
tergründe, Grenzen und Korrekturen des ersten Eindruckes aufzuweisen. Auszüge
aus diesen Referaten mögen die Methode und mit ihr das Leben in der SBZ ver¬
d e u t l i c h e n :
„...Unsere Klasse besuchte das Ostberliner Kabarett
,Die Distel’. Scharfe
Angriffe gegen den Westen hatten wir zwar erwartet, nicht aber folgende Szene:
Ein Arbeiter hatte den selbstschwenkenden Topf erfunden und damit den geplagten
Hausfrauen den Topflappen erspart. Der Genosse Direktor erfährt von dem Un¬
sinn, tobt und sucht den Verantwortlichen, der diesen Auftrag gegeben hat. Es
stellt sich heraus, daß die Anregung dazu dem „Neuen Deutschland" entnommen
worden war. Dort hatte gestanden: Wir brauchen mehr selbstschwen¬
kende Töpfel Man rief die Redaktion an, und sie klärte den Fall. Die Zei¬
tungsnotiz hatte einen Druckfehler enthalten. Es hatte heißen sollen: Wir brauchen
2 8
�mehr selbstdenkende Köpfe! —Wie weit sich „Die Distel" in diesem
Sketch vorwagte, liegt auf der Hand. Sie griff die Diktatur des Staates an, der
alles Denken außerhalb der Parteiideologie ausmerzt. Es gibt also eine gewisse
Meinungsfreiheit in Ostberlin ..."
..Eine andere Begebenheit zeigte uns die Grenzen dieser ,Meinungsfrei¬
heit’. 1962 erhielt —so erzählte man uns beim Gesamtdeutschen Ministerium —
der Wirt einer kleinen Dorfschenke inmitten der Zone einen Brief von seinem Freund.
Dieser schrieb unter anderem: ,Aile SED-Mitglieder meiner Heimatstadt gleichen
Blasenkranken: Sie wollen austreten, können aber nicht.' Die Partei erfuhr von
dieser Äußerung. Der Freund erhielt 8Jahre Zuchthaus, der Wirt 4Jahre Gefäng¬
nis und seine Frau 1Jahr wegen ,Nichtanzeige eines staatsgefährdenden Verbre¬
c h e n s '
. . . "
..Warum wurde „Die Distel" nicht bestraft? Aussprüche von Ulbricht und
Norden, die in dem Flur des Kabaretts hingen, gaben uns die Antwort:
L a c h e n
befreit und gibt neue Kraft für den Produktionsprozeß!
Ventil für die aufgestaute Wut im Schatten der Mauer, als Möglichkeit für den klei¬
nen Mann, seinem Ärger Luft zu machen! Man hofft, daß er danach umso williger
die Diktatur des Staates erträgt."
Die Ausführungen der Oberprimaner wollten und konnten keine Lösung der
Deutschlandfrage geben. Sie wollten in Streißichtern unsere Lage beleuchten, in
der uns vielleicht nur die Hoffnung wider die Hoffnung bleibt, daß einst in ganz
Deutschland wieder „Einigkeit und Recht und Freiheit" herrschen.
Si --
. D i s t e l " a l s o a l s
D i e
Gespräch mit einem Stipendiaten unserer Schule
Auf Einladung des Kalamazoo-College/Michigan weilte Herr
Wilhelm Funcke (Abiturient unserer Schule von 1962) ein Jahr in
Nordamerika. Darüber führten wir folgendes Gespräch mit ihm:
—Es gibt sicher viele junge Münsteraner, die gern für ein Jahr zum Studium an
eine amerikanische Universität eingeladen würden. Wie kam es, daß man ge¬
rade Ihnen eine solche Möglichkeit anbot?
—Das Kalamazoo-College hat für seine Studenten ein Programm für Auslands¬
studien. Danach studieren 20 bis 25 Studenten aus Kalamazoo für drei bis sechs
Monate in Münster. Da es ihnen anscheinend bei uns gefallen hat, vergab das
College als Dank ein Stipendium für einen münsterschen Studenten. Daß gerade
ich dieses Stipendium erhielt, liegt wohl zunächst daron, daß ich Englisch als
F a c h h a b e .
—Nicht auch an Ihrem Abiturzeugnis?
—Vielleicht auch. Die Auswahl erfolgte jedenfalls auf Grund guter Referenzen
des Schlaun-Gymnasiums.
—Und sind Ihre Erwartungen erfüllt worden?
—Natürlich war vieles anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Zum größten Teil
sind meine Erwartungen jedoch noch übertroffen worden.
2 9
�—Wenn Sie zuröckschauen: Können Sie sogen, was Sie für besonders wer+voil an
Ihrem Amerika-Aufenthalt ansehen?
—Nun, ich studiere Englisch. Daß meine Sprachkenntnisse von dem Aufenthalt
profitiert haben, ist selbstverständlich. Das war ja der eigentliche Zweck. Ich
konnte in einem englisch sprechenden Land studieren. Ich konnte mich zudem
viel eingehender mit der amerikanischen Literatur beschäftigen, als ich das in
Münster gekonnt hätte, wo es keinen Lehrstuhl für Amerikanistik gibt. Aber
auch manche „persönlichen Kontakte" waren wertvoll für mich. Das College
hat weit unter tausend Studenten. Das bedeutet, daß die Atmosphäre dort —
mit deutschen Verhältnissen verglichen —geradezu „intim
Socializing
wird sowieso groß geschrieben ln Amerika. Jeder kennt jeden, grüßt jeden,
spricht mit jedem. Außerdem bemühen die Amerikaner sich um die Ausländer
ganz besonders. Ich hatte also keine Schwierigkeiten, mit ihnen in Kontakt zu
kommen. Ich habe im Gegenteil wirkliche Freunde in Amerika gefunden. Da
viele Studenten aus Kalamazoo nach Münster kommen, die ich dort bereits ken¬
nenlernte, sind diese Kontakte bis heute nicht abgerissen, sondern noch vertieft
w o r d e n .
w a r
.
—Die Dauer Ihres Studiums in Deutschland dürfte sich durch Ihren Aufenthalt in
den USA immerhin um em Jahr verlängert haben. Können Sie das, aufs Ganze
gesehen, in Kauf nehmen?
—Meine zwei Semester in Kalamazoo werden mir zwar angerechnet. Aber mein
Studienplan ist natürlich durch den Amerika-Aufenthalt durcheinandergeworfen
worden. Insofern haben Sie recht. Auf der anderen Seite, meine ich, wird das
durch die Vorteile mehr als aufgewogen. Was liegt schließlich an einem Jahr?
Entscheidend ist, was man kann und gelernt hat.
—Ich merke: Sie studieren nicht mit der Uhr in der Hand wie sogenannte Brot¬
studenten. Das ist erfreulich. So werden Sie drüben Erfahrungen gesammelt ha¬
ben, die für Sie unbezahlbar sind. Würden Sie uns darüber zu gegebener Zeit
einmal ausführlich berichten?
—Wenn Sie es wünschen, gern.
—Ich glaube, daß unseren Lesern daran gelegen wäre. Apropos: Sie waren doch
drüben, als Präsident Kennedy ermordet wurde.
— J a .
—Und das Negerproblem, über das bei uns soviel Unverständiges vorgebracht
wird, haben Sie vermutlich ebenfalls kennengelernt. Darf ich Vorschlägen, daß
wir unsere Leser entscheiden lassen, was sie am liebsten von Ihnen erfahren
m ö c h t e n ?
— E i n v e r s t a n d e n .
—So darf ich Ihnen schon heute für Ihre Bereitschaft herzlich danken, Herr Funcke.
3 0
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�Erlebnis auf einer Griechenland-Reise
An jenem Tage wollten wir möglichst nahe an Delphi herankommen. Als der
erste Sonnenstrahl den Gipfel des Parnaß beleuchtete, waren wir schon auf. Im Tal
herrschte noch Dunkelheit. Die Bergschatten wonderten tiefer, und als die Sonne
uns erreichte, waren wir marschbereit. Essen wollten wir später, wenn die Hitze
das Wandern unerträglich machte.
Gegen neun gelangten wir an einen Bach. Unter einer riesigen Platane machten
wir Rast. Apathisch blickten wir in die flimmernde Luft und folgten dem Flug eines
Steinadlers, der über der grauen Höhe kreiste, von der wir herabgestiegen waren.
Nach einer Weile schweigsamen Essens hörten wir das Klappern von Hufen. Ein
Bauer lenkte seinen müden Esel auf uns zu. Nach der Begrüßung fragte er uns,
ob wir Deutchse seien. Wir nickten. Er schwieg eine Weile und fragte, wohin wir
wollten. Wir nannten unser Ziel, „über Dhistomo?" fragte er. Ich nickte. „Ihr
kennt die Geschichte von Dhistomo? Auch die Zeitrechnung? Man zählt dort jetzt
das Jahr 19." Wieder nickte ich. „Ich bin aus Dhistomo", fuhr er fort,
mein Bru-
d e r w a r a u s D h i s t o m o
. . . "
Ich hatte das Gefühl, als wollte er noch etwas sagen. Er blickte jedoch vor sich
hin. Dann schaute er uns ernst an und sagte: „Vielleicht sehen wir uns noch mal",
trat dem Esel in die Weichen und ritt fort, ohne sich umzudrehen,
überrascht schauten wir uns an. Solch ein Verhalten hatten wir noch nicht
lebt. Im allgemeinen erfuhren wir in Griechenland eine Freundlichkeit, die uns
überwältigte.
e r -
Die anderen bedrängten mich, ihnen zu erzählen, was mit Dhistomo los sei.
,1m Jahre 1943", berichtete ich.
.also während des zweiten Weltkrieges, wurde
das Dorf Dhistomo ausgelöscht. Ein Partisane, der aus diesem Dorf stammte, hatte
einen deutschen Soldaten erschossen. Da, wie man feststellte, mehrere Bewohner
von Dhistomo Partisanen waren, befahl man eine Vergeltungsmaßnahme. Das Dorf
wurde in Brand gesetzt, und wer den Flammen entkam —ob Kind, Frau oder Mann
—wurde niedergeschossen. Seit diesen Tagen hat man in Dhistomo eine neue Zeit¬
rechnung. Heute leben sie im Jahre 19."
^/cJbbeh, Tl&jqj&e.
Das Fachgeschäft für gute Blumenspenden!
M U N S T E R / W E S T F .
Bohnhofstr.2(EckeServatiiplatz) ●WolbeckerStr.20
Te l e f o n 4 2 0 2 3
3 2
�„Müssen wir unbedingt da durch?" fragte einer. Jeder wußte, was damit ge¬
meint war. „Ja", erwiderte ein anderer.
Wir mußten „da durch"! Irgendein Zwang trieb uns. Wir schulterten unser Ge¬
päck und brachen auf. Als die Fahne an der Stange, die durch einen Windstoß um¬
geworfen und in den Sand gefallen war, wieder im Winde flatterte, griff einer
plötzlich nach ihr und rollte sie zusarrtmen. Dann traten wir in die flimmernde Hitze.
Nach zwei Stunden kamen wir nach Dhistomo. Die Straße war menschenleer.
Eine merkwürdige Stille herrschte. War keine Bevölkerung da? Befangen schauten
wir uns an. Langsam gingen wir auf den Dorfplatz zu, auf dem riesige Platanen
standen. Einerseits ist es natürlich, daß keiner in der Mittagshitze herumläuft, dach¬
te ich. überall hatten wir das so erlebt. Doch je mehr ich mir das einredete, desto
unangenehmer wurde mir zumute. Auf dem Platz standen Tische mit Stühlen herum.
Als wir sie zurechtrückten und uns niedersetzten, lief ein Hund kläffend weg. Das
war dos einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Plötzlich schraken wir zusam¬
men. Was war das? Der klagende Schrei eines Esels. Dann hörten wir Stimmen,
ich drehte mich um und sah eine Menschenmenge herankommen. An der Spitze
ging der Bauer, der mit uns während unserer Rast gesprochen hatte. Die Szene
hatte etwas Beklemmendes an sich. Warteten wir auf unsere Richter?
„He, ihr Deutschen! Was wollt ihr hier?" rief einer. „Rasten und dann weiter¬
gehen. Wir wollen morgen nach Delphi". Einer von uns hatte das auf Griechisch
geantwortet.
„Hört ihr? Sie können sogar Griechisch! Wart ihr damals schon in Griechen¬
land?" Jeder wußte, was mit „damals" gemeint war.
„Nein!" rief ich. „Wir haben es uns in Deutschland beigebracht".
„Kennt ihr die Geschichte von Dhistomo? Und kennt ihr unsere Zeitrechnung?"
„Ja, wir kennen sie!"
„Seht ihr, sogar dos kennen sie! Wahrscheinlich haben ihre Väter sie ihnen er-
zäh!t. Jetzt brüsten sie sich damit." Voüer Zorn und Wut war dies gesprochen wor¬
den. Die Situation war bedrohlich. Dann war es still. Als ich die vielen Gesichter
überflog, spürte ich, daß das Dort Dhistomo auf etwas wartete. Aber auf was?
Auf eine Erklärung, weshalb wir hier waren? Auf eine billige Rechtfertigung? Soll¬
ten wir ein Lied singen, um sie zu erfreuen? Wir waren übereingekommen, daß
ein Lied nie Notbehelf oder Notlösung sein dürfe. Da sagte einer von den Bewoh¬
nern: „Unsere und eure Väter haben wie Kain und Abel miteinander gestritten.
Ihr könnt nichts dafür". Das klang so, als wollte er unsere Situation verbessern.
„Wenn das stimmt", sagte ich, „dann waren das Brudermorde!"
Da trat der Bauer, den wir bereits kannten, auf mich zu, reichte mir die Hand
und sagte: „Du hast gut gesprochen! Laßt uns nicht mehr davon reden! Es ist ver¬
gessen."
Diese Worte schienen wie Zauber zu wirken. Die Menge löste sich auf, einige
schimpften, die meisten lächelten uns freundlich zu. Der Bauer, der sicherlich hohes
Ansehen genoß, lud uns zum Essen ein. Vom Jahre 0wurde nicht mehr geredet.
3 3
�Am späten Nachmittag verließen wir Dhistomo. Der Bauer begleitete uns bis
zum Dorfende, während uns andere zum Abschied zuwinkten. Dann z o g e n w i r
weiter. Die Fahne wurde entrollt. Während wir wanderten, besprachen wir unser
Erlebnis. Eine Erkenntnis hatten wir gewonnen: Haß kann man nicht immer be¬
wahren, obwohl es schwer ist zu vergeben.
Das wurde uns später noch deutlicher, als wir nach Kalavrita kamen. Auch dies
Dorf hatte eine Vergeitungsaktion der Deutschen erlebt. Noch heute steht die
Mauer mit den Einschüssen. Ein griechischer Student sagte uns dort:
D a s L e b e n
geht weiter. Jeder stirbt einmal. Warum so allgemein sagen, die Deutschen sind
schuld daran? Jede Seite hat Schuld auf sich geladen. Die Deutschen bereuen ihre
Taten. Warum ihnen da nicht verzeihen? Ich meine, man muß es sogar. Ihr Jungen
habt nichts damit zu tun. Indem ihr durch Griechenland zieht und versucht, Freund¬
schaft zu schließen, zeigt ihr, daß ihr anders seid. Seid uns deshalb aufs herzlichste
■w i l l k o m m e n ! "
Christian J. Sczuka {Abiturient 1965}
Gedanken eines Oberprimaners zur Gemeinschaffskunde
Für manchen mag Gemeinschaftskunde nicht viel mehr als ein Fach sein, für
das man nicht unbedingt etwas zu tun braucht, weil ein halbwegs Intelligenter sich
mit dem, was er in den Stunden hört, schon über Wasser halten kann. Für andere
ist Gemeinschaftskunde ein Fach, bei dem es darauf ankommt, möglichst viel mit¬
zuschreiben, möglichst lange Passagen wörtlich vorzulesen und auch sonst in jeder
Hinsicht zu brillieren, sofern das keine allzu große geistige Anstrengung erfordert.
Was aber sollte uns Gemeinschaftskunde wirklich sein? Sie sollte,
mal mit ganz einfachen Worten auszudrücken, Lebenskunde sein. Sie sollte dem,
der sich mit ihr beschäftigt, einen Eindruck davon vermitteln, wie es bisher in der
Welt zugegangen ist und wie es noch heute in ihr zugeht.
u m
e s
e i n -
Solch lebenskundlicher Gemeinschaftskunde-Unterricht könnte an sich auf zweier¬
lei Art gestaltet werden: mit Hilfe eines Lehrbuches wie der bisherige Geschichts¬
unterricht oder mit Hilfe von Quellen. Benutzt man ein Lehrbuch, so sieht
m a n g e -
zwungenermaßen das, was an Tatsachen behandelt wird, durch die Brille dessen,
der das Lehrbuch geschrieben hat. Das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein; denn
die Brille des Schreibers kann durchaus die der Objektivität sein; nur kann man nicht
absolut sicher sein, daß sie es ist. Ganz anders bei der zweiten Art: der Gestal¬
tung des Gemeinschaftskunde-Unterrichtes mit Quellen. Hier sehe ich gegenüber der
ersteren Art drei gonz bedeutende Vorteile:
3 4
�Erstens ist man bei der Arbeil mit Quellen nicht gezwungen, chronologisch vor¬
zugehen, sondern hat die Möglichkeit, sich nacheinander mit den verschiedensten
Sachgebieten zu beschäftigen, Das führt schon durch die viel längere, ununterbro¬
chene Beschäftigung mit dem gleichen Thema zu einer unvergleichlich tieferen Ein¬
sicht. Man hat ja die Möglichkeit, viele Stunden hintereinander bei derselben Sache
zu verweilen. Dadurch wird der Unterricht fruchtbarer, da Voraussetzungen, Ereig¬
nisse und Zusammenhänge aus vorangegangenen Stunden viel lebhafter in der Er¬
innerung bleiben, wenn sie in immer neuen Zusammenhängen durchdacht werden,
als dies bei dem chronologischen Vorgehen möglich wäre, bei weichem das thema¬
tisch Zusammengehörige eben chronologisch und nicht thematisch behandelt wird.
Nehmen wir als Beispiel den Imperialismus! In den Schullehrbüchern wird er zwar
als eigenes Kapitel behandelt. Aber dies Kapitel ist verhältnismäßig kurz und wird
in keiner Weise in Beziehung zur Gegenwart gesetzt oder gesehen. Außerdem
muß man sich bei seiner Behandlung mit den Feststellungen des Autors begnügen
und sie, da man keine Möglichkeit der Nachprüfung hat, so übernehmen, wie sie
da stehen. Der Gemeinschaftskunde-Unterricht soll aber Wissen vermitteln, das
einer kritischen Prüfung unterzogen wird. Daher ist ihm die genannte Art des Vor¬
gehens nicht angemessen. Hat man aber die Quellen selbst vor sich, so kann man
Stellen aus Reden oder Büchern der Verantwortlichen oder Zeitgenossen Wort für
Wort überprüfen und entsprechende Erkenntnisse daraus ziehen. Notwendige Er¬
klärungen zu den meist ohne Kommentar abgedruckten Quellen zu geben, ist dobei
die Aufgabe des Lehrers, der in jeder anderen Hinsicht zurücktreten kann, falls
d i e b e t r e f f e n d e P r i m a w i r k l i c h e i n e P r i m a
i s t .
Der zweite Vorteil des Gemeinschaftskunde-Unterrichtes mit Quellen Ist der,
daß die Beschäftigung mit ihnen ungleich interessanter ist als die Arbeit mit einem
Lehrbuch. Es handelt sich ja bei ihnen um authentische Verlautbarungen, Reden,
Tagebucheintragungen oder dergleichen von Leuten, die zu einer bestimmten Zeit
an verantwortlicher Stelle standen oder zumindest genau Zusehen konnten, wie
dieses oder jenes verhandelt, verfügt oder ausgeführt worden ist. In jedem Falle
sind es persönliche Zeugnisse aus der Zeit selbst, und das ist es, was dos Interesse
erweckt. Ihre persönliche Färbung erlaubt, sich auch über das Psychologische Ge¬
danken zu machen. So stellt man nicht einfach fest, daß Prinz Max von Baden den
Kaiser im November 1918 als abgedankt bezeichnet hat, bevor dieser wirklich ab¬
dankte. Man kann durch die Art, wie er selbst darüber schreibt, zumindest versu¬
chen zu verstehen, wie er dazu gekommen ist und was ihn dazu getrieben hat. Was
nützt es, wenn man in einem Geschichtsbuch liest, daß der Prinz die Monarchie
nicht abschaffen wollte, daß er vielmehr, um die Straße nicht von vornherein gegen
3 5
�sich einzunehmen, zu einer Parlamentarischen Monarchie kommen wollte? Selbst
wenn man im Unterricht darüber gesprochen hat, vergißt man es schnell wieder,
da das Wissen in solchem Falle nur ein angelerntes ist, kein verstandenes —etwas,
was man durch Quellen sozusagen aus eigener Anschauung kennt, miterlerbt und
begriffen hat. Wenn das aber der Fall ist, bedarf es dann bei der Wahl zwischen
beiden Unterrichtsarten noch der weiteren Überlegung?
Der dritte Vorteil schließlich besteht darin, daß man Texte lesen lernt. Dabei
ist es letzten Endes gleichgültig, um was für Texte es sich handelt. Wenn man an
geschichtlichen Quellen geübt hat, aus Nebensätzen, Parenthesen oder der Wort¬
wahl das herauszuiesen, was herauszulesen ist, dann kann man dieselbe Fähigkeit
auch bei Texten anwenden, die aus einem anderen Bereich stammen. Diese Fähig¬
keit ist nicht nur für Diplomaten wichtig, wie man meinen könnte. Fast jeder wird
wahrscheinlich sehr oft in eine Lage -kommen, in der es wichtig ist zu beurteilen,
was mit einer Rede, einer Anordnung, einem Paragraphen, einem Brief wirklich
gemeint ist. Viele, die täglich ihre Zeitung lesen, überlesen so manches, weil
irgendwo klein und versteckt in einem Nebensatz oder einer scheinbar unwichtigen
Bemerkung enthalten ist. Hat man aber gelernt, Quellen wirklich zu lesen, so wird
einem dergleichen nicht passieren, es sei denn, man betreibt die Zeitungslektüre
lediglich zum Zeitvertreib oder als ein Mittel zur Entspannung und Zerstreuung. Vor
kurzem wurde in einer Notiz ganz am Ronde die Mitteilung gemacht, daß der
amerikanische Botschafter Henry Cabot-Lodge seinen Posten in Sudostasien
lassen habe und nach Amerika zurückgekehrt sei. So etwas kann man leicht über¬
um einen Botschafter handelt. Weiß man aber, daß
lesen, zumal es sich
Lodge Republikaner ist und sich schon länger mit dem Gedanken getragen hatte,
für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, wird einem sofort klar, daß der Sena¬
tor Goldwater nicht mehr der alleinige Kandidat seiner Partei ist, sondern einen
Rivalen aus den eigenen Reihen hat. Und ist es nicht wichtig zu wissen, welcher
Mann das wichtigste Amt der westlichen Welt übernehmen wird oder zumindest
übernehmen kann?
,nur‘
e s
v e r ¬
Wenn man ein Problem aus der Vergangenheit etwas tiefergehend erfaßt hat
kommt es fast von selbst, daß man sich fragt:
Und wie Ist es heute mit uns be-
stellt?" Man versteht dann Entwicklungen und kann sie bis in unsere Zeit weiter¬
verfolgen. Man nimmt dann nicht einfach mehr als gegeben hin, daß es uns wirt¬
schaftlich gut geht. Man lernt wieder zu staunen. Wenn man das aber kann, dann
hat man die „gefährliche Selbstverständlichkeit des Lebens" verloren. Und wäre
das nicht erstrebenswert?
Peter Kalicinski (Abiturient Ostern 1965)
3 6
�Auf dem Prinzipalmarki
bei Beendigung des letzten Sonntags-Gottesdienstes
Ich stehe auf dem Prinzipalmarkt und warte auf das Ende des letzten sonntäg¬
lichen Gottesdienstes in der Lambertikirche. Mein Blick wandert den schlanken,
immer spitzer werdenden Turm hinan, verweilt auf den goldfarbenen Ziffern und
den beiden Zeigern der Turmuhr, die gerade fünf Minuten vor zwölf zeigt, und
geht weiter das schlanke Gemäuer hinauf. Wie die Ranken einer Blume windet es
sich um ein unsichtbares Gerüst. Drei Eisengitter— die Wiedertäuferkäfige —hän¬
gen über der Turmuhr. Weiter in den Himmel hinein stößt der Turm, immer spitzer
wird er, bis er in einer Blüte aus Stein endet.
Leise regen sich die Blätter des Baumes am Lambertibrunnen. Einige Sonnen¬
strahlen tasten sich durch seine Krone auf den Boden und bilden helle, spielende
Flecken auf dem Pflaster des Platzes. Die Sonne funkelt und glitzert in dem plät¬
schernden Wasser des Brunnens. Die drei bäuerlichen Gestalten über ihm erscheinen
heller und freundlicher als sonst. Leise rauschen die Blätter, leise plätschert und
sprudelt das Wasser, und leise erklingt das Lied aus der Kirche: „Meerstern, ich
dich grüße ..
Da knarrt die große Kirchentür und wird aufgestoßen, und schon quillen die
Andächtigen heraus. Ihr erster Blick gilt dem Wetter. Sie staunen in den strahlen¬
den Himmel. Einige gehen nach Hause, andere warfen vor der Kirche. Die weißen
Hemden der Männer und die bunten Kleider der Frauen und Kinder leuchten. Der
Kirchplatz füllt sich mehr und mehr. Lachen wird laut, dazwischen Motorengeräusch
abfahrender Autos. In Gruppen gehen die Menschen in Richtung Prinzipalmarkt,
Salzstraße, Roggenmarkt. Noch eine Weile ist ihr Lachen und das Klappern ihrer
Absätze zu hören. Dann wird es wieder still, und es bleibt das Rauschen der Blätter,
das Plätschern des Brunnens und das Spiel der Sonne In dem Rankwerk des Turmes.
Hans Hegemann (Olllsa)
Eine Stunde Verspätung
Meine Tante hatte ihren Besuch angekündigt, und nun stehe ich hier auf Bahn¬
steig 3in Münster, um sie abzuholen. Ein kurzer Blick cuf meine Armbanduhr zeigt
mir, daß es bis zur planmäßigen Ankunft ihres Zuges noch drei Minuten sind.
Rechts von mir steht eine junge Frau, ihr Töchterchen an der Hand. Ein Koffer
und eine große Reisetasche lassen darauf schließen, daß sie verreisen wollen.
Ruhig steht das etwa fünfjährige Mädchen neben seinei Mutter und betrachtet die
Puppe in seinem Arm. Noch eine Minute, denke ich. Hoffentlich hat er keine Ver¬
spätung!
Meine Hände werden allmählich kalt. Von der Überdachung des Bahnsteiges
plätschert der Regen auf die Schienen und das Dach eines abgestellten Postwagens.
Das ein wenig fahle Licht der Nachtbeleuchtung läßt an einer Wand Schatten ent¬
langspielen. Die Gitterstäbe an den Fenstern unterstreichen den trüben Eindruck.
Die schweren Regentropfen spritzen hoch, wenn sie auf eine Schiene treffen, andere
werden lautlos vom Schotter des Bahndammes verschluckt. Vom Rande der über-
3 7
�dachung fallen Tropfenketten, die sich auflösen, sobald sie auf den Boden auftreffen.
I c h
f r ö s t e l e .
Da höre ich ein knackendes Geräusch: Achtung für Bahnsteig 3! Der Eilzug
aus Bremen über Osnabrück hat voraussichtlich eine Stunde Verspätung."
Mit einem Ruck drehe ich mich um. Die Augen der Frau sind auf den Lautspre¬
cher gerichtet. „Mama, wie lange noch?" fragt die Kleine. Die Mutter scheint ihre
Frage nicht zu hören. Sie nimmt Koffer und Tasche und trögt sie zu einer der Bänke.
Mit einem Seufzer läßt sie sich fallen. „Noch eine Stunde, Kind", sagt sie, indem
sie sich den Mantelkragen hochschiägt.
Hinter mir höre ich ein Ächzen und Schnauben. Ich drehe mich um. Mein Blick
fällt auf die Treppe, von wo das Geräusch kommt. Zuerst sehe ich einen großen
Hut, dann einen Kopf, schließlich einen älteren Mann mit zwei Koffern und einer
anscheinend sehr schweren Tasche. Hinter ihm taucht eine Frau auf. Sie trägt nur
Verantwortung. „Da siehst du es", höre ich sie vorwurfsvoll klagen,
,ich hatte dir
doch gesagt, du solltest schneller gehen. Jetzt ist er natürlich weg." Ohne Wider¬
worte setzt der Mann die Koffer und die Tasche ab. Ein Herr, den ich bis jetzt
nicht bemerkt hatte, erklärt der Frau, daß der Zug Verspätung habe. „Das habe ich
geahnt", sagt der alte Mann, wischt sich den Schweiß ab und geht zu einem der
Verkaufsstände, um Tabak für seine Pfeife zu kaufen. Die Frau mit der Verant¬
wortung hütet das Gepäck.
Ein etwa 40 Jahre alter Herr, gut gekleidet, eine Aktenmappe aus schwarzem
Leder unter dem Arm, steht —mit der freien Hand gestikulierend —vor dem
Fahrdienstleiter. Ich höre etwas von Schadenersatz und einer wichtigen Bespre¬
chung, die er auf diese Weise versäume. Der Mann mit der roten Mütze zuckt mit
den Schultern und sagt: „Ich kann es nicht ändern. Da müssen Sie sich schon on die
Direktion wenden."
z u
Meine Aufmerksamkeit fällt wieder auf das Kind. Es ist aufgestanden, läuft
einer anderen Bank und wieder zurück. Es ist ungeduldig geworden. Die Mutter
muß es beschäftigen. Sie steht auf und geht mit dem Kind zu dem Verkaufsstand.
An einem Riegel Schokolade kauend kommt das Kind zurückgelaufen, während die
Mutter langsam folgt.
Auch ich spüre Langeweile in mir aufsteigen. Daher schaue ich zur Überdachung
und zähle die Glasfenster, auf die noch immer der Regen in monotonem Rhythmus
niedertrommelt. Auf dem Bahnsteig nebenan ertönt die Pfeife des Vorstehers. Der
Motor einer Diesellokomotive wird lauter. Ich sehe, wie das Gestänge an den Rä¬
dern von einem Stoß erzittert. Ein Rucken geht von der Lokomotive aus und pflanzt
sich von einem Wagen zum andern fort. Langsam wird die Bewegung gleichmäßig.
Das Rollen der Räder wächst zu einem dunklen Ton, der bald wieder abnimmt.
Dann sehe ich die Rücklichter des Zuges zwischen den Reihen abgestellter Wag
ketten verschwinden.
e n -
Ich schaue ouf die große, runde Uhr über mir. Es kann sich nur noch um Minu¬
ten handeln. Da knackt es erneut in dem Lautsprecher: „Achtung für Bahnsteig 3!
Es erhält Einfahrt
Erleich¬
tert gehe ich zu meinem ersten Standort zurück. Ich sehe, wie die Frau mit dem
diesem Bahnsteig der verspätete Eilzug aus Bremen.
a n
3 8
�Kind aufsteht. Die Frau mit der Verantwortung erklärt: „Nun nimm schon die Kof¬
fer! Bist du taub? Der Zug kommt!" Der Mann mit der Aktenmappe ist nirgends
zu sehen. Er scheint sich anders besonnen zu haben.
Aus dem Dunkel fauchen links vor mir die drei Lampen einer Dampflokomotive
auf. Ein Zittern geht durch den Boden. Ein Quietschen, dann ein Ruck. Der hell¬
erleuchtete Zug steht vor mir, und ebenfalls vor mir steigt meine Tante aus —strah¬
lend vor Überraschung und Freude.
Robert Tschiedei (Olllsa)
Unser Schornsteinfeger
immer wenn es bei uns zweimal anhaltend klingelt, weiß ich, daß ein Viertel¬
jahr vorbei ist. Dann steht vor der Tür ein großer, schlanker Mann in einem schwar¬
zen, verschmutzten Anzug. Sein schwarzes Käppchen sitzt schräg auf seinem Kopf.
In seinem verrußten Gesicht leuchten ein Paar lustige Augen. Ich weiß sofort, daß
es unser Schornsteinfeger ist.
Als er zum erstenmal bei uns onschellte, öffnete ich ihm die Tür. Lächelnd trat
er ein und sagte: „Ich bin der schwarze Mann und möchte den Kamin fegen." Damit
ging er die Treppe zum Dachboden hinauf. Ich sagte, daß wir ihn noch nicht er¬
wartet hätten und daß V/äsche auf dem Boden hänge. „Das ist nicht schlimm",
erwiderte er. „Hilf mir nur schnell, die Wäschestücke in der Nähe des Kamins ab¬
zunehmen!" Als das geschehen war, ging ich wieder noch unten.
Fröhliches Lachen klang von unserem Boden herunter. Nach Beendigung seiner
Arbeit verlangte der Schornsteinfeger sein Geld. Meine Mutter sagte: „Sie sind
ja wieder sehr lustig heute,
Das bin ich immer, denn bei meiner Arbeit bin ich
dem Himmel besonders nahe", entgegenete er. Mit seiner schwarzen Hand berührte
er mein Gesicht und hinterließ einen dunklen Strich auf meiner Wange. Lächelnd
v e r l i e ß e r d a s H a u s .
Am nächsten Tags traf ich ihn wieder. Als er in ein Haus gehen wollte, rief
er mir zu: „Willst du auch Glücksbringer werden?" Damit verschwand er fröhlich,
b e v o r
i h m a n t w o r t e n k o n n t e .
i c h
An einem Sonntag sah ich auf der Straße einen gutgekleideten, schwarzhaarigen
Mann. Er schob einen kleinen Sportwagen vor sich her, .in dem ein etwa zwei¬
jähriges Kind saß. Es spielte mit Bauklötzchen. Plötzlich warf es sie alle aus dem
Wagen. „Das darfst du nicht tun, die Klötzchen gehen entzwei, wenn du sie auf
den Boden wirfst", sagte der Mann liebevoll und hob die Klötze auf. Ich betrach¬
tete ihn, während ich an ihm vorbeiging, und erkannte, daß es unser Schornstein¬
feger war. Als er mich sah, sagte er: „Das wird später mein Nachfolger." Dabei
zeigte er auf seinen Jungen. Und fröhlich schob er den Wagen weiter.
Als wieder ein Vierteljahr vorüber war, hörte ich nicht das gewohnte Schellen.
Nur einmal ertönte die Klingel. Als ich die Tür öffnete, sah ich einen anderen, mir
fremden Mann, der energisch fragte: „Wo ist der Dachboden?"
Ralf Pohlmann (OMI sa)
3 9
�Erlkönig
motorisiert
»
i
Wer rattert so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind,
Der Vater Karl mit dem Sohne Fritz
Auf der DKW mit dem Soziussitz.
„Mein Sohn, was birgst das Gesicht du so'bang?" —
„Siehst, Vater, nicht den Bahnübergang,
Den unbeschrankten, in neblichter Ferne?" —
„Mein Sohn, ich hob ’ne Boschlaterne."
„Mein Vater, und siehst du den Schutzmann nicht
Mit Bleistift, Notizbuch und strengem Gesicht?
„Sei still, mein Sohn! Das geht uns nichts an.
Ich hob eine
„Mein Vater, mein Vater, jetzt halte dich zu!
Da kommt noch einer auf NSU." —
„Der hat, mein Sohn, dos erklär ich dir später.
Nur zweihundertfünfzig Kubikzentimeter."
Die Hupe schrillt, der Motor kracht.
Das Unheil naht in finstrer Nacht.
„Mein Vater, mein Vater, schon hör ich ihn johlen.
Gleich wird der andre uns überholen.U
Dem Vater graust's, er gibt Doppelgas:
„Halt dich fest, mein Sohn, sonst passiert noch was!
Er erreicht als erster das Haus am Meer:
D e r S o z i u s s i t z h i n t e r
falsche Nummer dran.
i h m w a r — l e e r .
I
I
Hans Konrad (Abiturient 1963)
D r . C . H e n k e
Schriftleilung:
Cesdiäftl. LeiUing: Studienassessor Hans Galen
Einzohlungcn:
D a s Ti t e l b i l d
Die Zeichnung
I l l u s t a l i o n
Hans Galen, Konto-Nr. 25 974 bei der Sparkasse der Stadt Münster
fertigte Monfred Lauterbach (VI b)
auf Seite 16 verdanken wir Siegfried Eustermonn (Abiturient 1965)
auf Seite 31: Dirk Stdver (ebenfalls Abiturient 1965)
Gutenberg-Druckerei Theodor Bröcker ●44 Münster ●Bergstraße 71/72
D r u c k :
4 0
�A D T V Ta n z s c h u l e Z i m m e r m a n n
führend im Tanzsport
Freuen Sie sidi nach Ostern in unserem geschlossenen Zirkel
für das Sdilaungymnasium auf eine schöne Tanzstundenzeit.
S i e fi n d e n b e i u n s
aufgeschlossene Lehrer, die mit cier Jugend gehen
und ihr den Anfang leicht machen;
ein gepflegtes, modernes Studio;
interressantes Unterrichtsprogramm
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Honorarermäßigung in der Sammelonmeldimg.
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W i r s i n d
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H I N D R I C H S
M ü n s t e r
S a l z s t r a ß e
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Ich kann nicht verstehen, daß Sie
hier im Kraftwerk soviel Mühe mit
d e m e l e k t r i s c h e n S t r o m m a c h e n .
Bei uns zu Hause drehen wir bloß
am Schalter".
S
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