DAS SCHLAUN-GYMNASIUM Ostern 1965

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O S T E R N 

1 9 6 5

�P H O T O H A U S

MUNSTER/W.  nur:  DRUBBEL  3
Ruf  43633  /43634

P H O T O
M A K R O 

S C H M A L F I L M 
— R Ö N T G E N 

— P R O J E K T I O N 
—
— P O S T V E R S A N D — T E I L Z A H L U N G

— M I K R O 

Einrichtung  vollständiger  Labors 

für  Wissenschaft  und  Technik

E I N E S  D E R  Ä LT E S T E N  FA C H G E S C H Ä F T E  D E U T S C H L A N D S

S i e

W o l l e n 
t ä n z e r i s c h  g u t  a u s g e b i l d e t  w e r d e n
u n d
somit  für  lange  Zeit
bleiben,
m o d e r n
i c h i h n e n 

e m p f e h l e 

d a n n 

m e i n e

T A N Z K U R S E 

f ü r  A N F Ä N G E R 

u n d  F O R T G E S C H R I T T E N E

Nadi  Beendigung  der  Tanzstundenzeit  sollten  Sie  sidi  durch  den  Besuch
d e r 

w e i t e r b i l d e n !

T a n z t e e s 

D i e s e  fi n d e n  s t a t t  a m :

M i t t w o c h 
Samstag  und  Sonntag  von  16.30  bis  19.00  Uhr  und  19.30  bis  22.00  Uhr

v o n  1 6 . 3 0  b i s  1 9 . 0 0  U h r

Ta n z s c h u l e
Eugen  Wichtrup

4 4  M Ü N S T E R / W E S T F .
H a r s e w i n k . e  1 g a s s e 1

�Das Schlaun-Gymnasium

Schulzeitung für die Schüler^ Lehrer^ Eltern, Ehemaligen
und Freunde des Schlaun-Gymnasiums zu Münster (Westf.j

N r.  3 1

O s t e r n  1 9 6 5

Gedanken zur Frage der Elitebildung

Cffens/c/if//ch gehört die Anerkennung von Rängen zu den Urvoraussetzungen der
Gemeinschaft überhaupt.

*

Wo  der  Maßstab  des  höheren  Ranges  fehlt,  triumphiert  die  Mittelmäßigkeit  und
wird zur tonangebenden Tugend m/t o//en Konsequenzen, d/e s/ch darous ergeben.

Die M/tte/möö/g/fei't ist um ihrer selbst willen jeder Elite feind.

*

♦

Wo aber der höhere Rang vom Durchschnitt und Mittelmaß anerkannt wird, ent¬
steht mit groÖer Wohrschei’n/ichkeit em echter politischer, gesellschaftlicher und
kultureller  Stil.

Wer  Elite  als  Gefahr  für  die  Demokratie  ablehnt,  erklärt  damit  die  Mittelmäßigkeit
als  demokratische  Tugend.

Elite  kann  nur  da  entstehen,  wo  eine  Gruppe  hohe  Forderungen  an  sich  selbst
stellt. Sie entsteht keineswegs, wenn eine Gruppe hohe Forderungen an die ge¬
sellschaftliche  Umwelt  stellt.

Eine Gruppe, die an sich selbst hohe Anforderungen stellt, rangiert eben dadurch
höher  als  der  Durchschnitt  und  das  Mitteimoß.

Wer der Jugend nochlöutt, dem wird sie davonlaufen. Nur wer sie hoch zu for¬
dern  versteht,  wird  die  Maßgeblichen  unter  ihnen  gewinnen  —nicht  für  sich,
sondern  für  die  Forderung.  Sie  fühlen  sich  nicht  verstanden,  wenn  mon  immer
weniger,  sondern  erst,  wenn  mon  mehr  von  ihnen  fordert.

In  Deutschland  ist  der  Gedanke  der  Elite  immer  noch  Gegenstand  des  Unbehagens.
H a n s  S c h o m e r u s

*

�An die deutsche Jugend!

im  freien  Menschsein  beginnt  die  Wirkkraft  der  gelebten,  der  nicht  bloß  ge¬
lehrten  und  darum  angelernten  Demokratie.  Es  fällt  mir  nicht  ein,  geschichtliche
Vergangenheiten alter deutscher oder alter preußischer Geschichte zu schmähen.
Wir leben aus ihr in vielen seelischen Kräften, aber wir sind, in gewandelter Welt, .
nicht  ihre  Sklaven.  Doch  die  junge  Generation  muß  den  aus  Trümmern  einer  sinn¬
losen geschichtlichen Selbstvernichtung neu erbauten Staat als eigene Aufgabe be¬
greifen.  Wir  Alteren,  die  wir  in  den  Riß  traten,  sind  bloß  Platzhalter  des  Wer¬
denden. Das, was wird in der gesellschaftlichen Ordnung, in der friedlichen Ein¬
gliederung Deutschlands, des gesamten Deutschlands, wird Eure Aufgabe sein. Sie
verlangt Geduld und Zähigkeit, Fromm-Sein vor Gott und Freund-Sein zum Näch¬
sten, über Stamm und Stand und Konfession hinweg, Arbeitstüchtigkeit, der Arbeits¬
freude und Arbeitsstolz folgen mögen, und ein Wissen, daß In der Folge der Ahnen
und Eltern, die mühsamen, doch großen Aufstieg erlebten, um tiefen Sturz zu er¬
leiden,  das  Vaterland,  durch  Euren  Willen  von  Geschichtsschmach  gereinigt,  zu
einem  Sein  freier  Würde  im  Kreise  freier  Völker  zurückkehre!

Theodor  Heuß
(gesprochen bei der Abschiedsfeier für unsere diesjährigen Abiturienten}

B U C H H A N D L U N G

Ferdinand Scl}6ningl)-

S a l z s t r a ß e 

6 1

0 S c h u l b ü c h e r

# T e x t a u s g a b e n

●W ö r

t e r b ü c h e r

# A t

l a n t e n

0 J u g e n d b ü c h e r

2

�Aus  dem  Leben  unserer  Schule

Das Schuljahr 1964/65 begann am Donnerstag, 9. April 1964, mit dem Schul¬
gottesdienst  in  der  Lambertikirche  bzw.  Erlöserkirche.  Danach  versammelten  sich
die 863 Schüler des neuen Schuljahres auf dem Schulhofe, nahmen die ersten wich¬
tigen Hinweise für das neue Schuljahr entgegen und erhielten in ihren Klassenräu¬
men ihre neuen Stundenpläne. Den Rest des Tages durften sie ihren beendeten
Osterferien zurechnen. Die eigentliche Arbeit begann erst am Tage darauf.

Sie konnte nicht ganz der Lehrverfassung entsprechend vor sich gehen. Obwohl
unsere  Lehrer  manche  Stunden  über  die  Zahl  ihrer  Pflichtstunden  hinaus  erteilten
und Aushilfskräfte eingesetzt wurden, blieben doch 28 im Plan vorgesehene Stun¬
den ungedeckt und mußten ousfallen. Es waren insbesondere Turn- und Sportstunden.
Da wir für unsere 27 Klassen allerdings nur eine Turnhalle haben, wäre es auch
dann kaum möglich gewesen, sie in der planmäßigen Zahl zu erteilen, wenn genü¬
gend Lehrer dafür zur Verfügung gewesen wären.

Im verflossenen Schuljahr wurde der Unterricht an unserer Schule von insge¬

samt 46 Lehrern erteilt (darunter 4Aushilfskräften).

*

Befördert wurden im Laufe des letzten Schuljahres
Alfred  Heidtmann,
Günther Eilentrop und
Dr. Fritz Scholmeyer

die  Studienräte

zu  Oberstudienräten,
die Studienassessoren Gerhard Simon,

Reinhard  Nickisch  und
Dietrich  Buff

zu  Studienräten.

In das Lehrerkollegium traten ein

Studienrat  Dankfried  Kleinschmidt,
Studienassessor  Hans  Galen,
Studienassessor Dr. Rainer Epe.
Wir  sprechen  den  Genannten  unsere  herzlichen  Glückwünsche  aus.
Ausgeschieden  sind

Oberstudienrat Hans Gradaus, der wegen einer Kriegsbeschädigung

vor  der  Zeit  in  den  Ruhestand  versetzt  wurde.

Studienrat Gerhard Herting, der zu Ostern 1965 auf eigenen Wünsch¬

en dos Gymnasium Dionysianum in Rheine versetzt wird,

Studienrätin i. R. Dr. Johanna Kortmann, die seit ihrer Pensionierung

weiterhin  aushilfsweise  bei  uns  tätig  war,

Musiklehrer  cand.  phil.  Ekkehard  Kreft.

Wir wünschen den Scheidenden alles Gute auf ihrem ferneren Lebenswege.

3

�Unter Berücksichtigung der genannten Veränderungen gehören zum derzeitigen

Lehrerkollegium des Schlaun-Gymnasiums:

Oberstudiendirektor
Oberstudienrat

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S t u d i e n r a t

Studienrätin
S t u d i e n r a t

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S t u d i e n r ä t i n
Studienrat

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S t u d i e n a s s e s s o r

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9

9 9

9 9

A s s e s s o r i n  d e s  L e h r a m t e s

4

Dr. Hermann Spreckelmeyer
Dr.  Conrad  Henke
Dr. Eduard Lütgen
Dr.  Hugo  Pottebaum
Dr.  Ludwig  Klockenbusch
E r n s t  T h i e l
H a n s  S c h o r m a n n
A l f r e d  H e i d t m a n n
Günther  Eilentrop
Dr.  Fritz  Scholmeyer
Paul  Hungerberg
Dr.  Albert  Allerup
Paula Lange ,
Wa l t e r  O t t e
Bernhard  Schlüter
Rudolf Hillebrand I
Wilhelm  Wacker  (z.  Z.  beurlaubt)
Hermann  Schwerbrock
U l r i c h  E h r h a r d t
Klaus Hagemann j
D r .  C h a r l o t t e  G r u n a
Joseph  Pahl
O t t o  V i l l l s
H e i n r i c h  D ü t z
A d o l f  S c h e i d t
Aloys  Neumann
Dr.  Eichhorn-Eugen
H o r s t  P e t e r s
N o r b e r t  J o h a n n i m l o h
Klaus  Franzenburg
Georg  Greshake
D r.  E l m a r  B o z z e t t i
D a n k f r i e d  K l e i n s c h m i d t
K l a u s  G r u h n
G e r h a r d  S i m o n
R e i n h a r d  N i c k i s c h
D i e t r i c h  B u f f
K l a u s  S i e b e i
H a n s  G a l e n
Dr.  Rainer  Epe
Gerhard  Uhlig
Dr.  Helga  Fey

�Von den an unserer Schule weilenden Studienreferendaren des Ausbildungslehr¬
ganges 1963/64 wurden nach bestandener 2. Staatsprüfung zu Studienassessoren
e r n a n n t :

Werner  Bronstering
Dr.  Rainer  Epe
Hans Ludwig Freytag
Bertold  Glaubitz
Georg Kassat
Martin  Kuss
Hermann  Menshausen

We r n e r  O b s t
Lothar  Paul
F r i e d b e r t  R a a t s c h e n
E r n s t  S a l o m o
Eckhardt  Schmidt
K l a u s  E r d m a n n  T h i e m

Wir beglückwünschen die Genannten zu ihrem Erfolg.

Anfang Oktober Oberwies uns das hiesige Staatliche Studienseminar Ifolgende

Studienreferendare zum Abschluß ihrer pädagogischen Ausbildung:

D r .  R u d o l f  B o m b a
Kaplan  Winfried  Feldkamp
Klaus  Freckmann
Wolfgong  Goez
Helmut  Hoppe
W i l h e l m  K a u t z
Gerhard  Luczak
Wilhelm  Nieper

*

Walter  Oberste
Erwin  Pohl
Albert  Saatkamp
E b e r h a r d  S c h m i d t
D r .  H a n s  S ü ß m u t h
E l m a r  U h l e n b r o c k
Friedrich-Wilhelm  Vogt
Reinhold  Wessendorf

'J-iAche,
^lundeAifuSJitcthtä^

s t e t s  g r o ß e s  L a g e r 
i n - 

u n d 

t n A n g e I g e r ä t e n
F a b r i k a t e

a u s l ä n d i s c h e r 

dlem&AcäJk
ältestes  Fachgeschäft

M ü n s t e r s

Rothenburg  23
(gegenüber  dem
Aegidii-Parkplatz)

5

�Am  27.  Mai  hatte  unser  Hausmeister,  Herr  Wilhelm  Hartmann,  sein  25jähriges
Dienstjubiläum, wozu Stadtverwaltung und Schule ihm ●und seiner Frau herzliche
Glückwünsche  überbrachten.

*

Die  Arbeit  in  der  Schulstube  wurde  wie  in  allen  Jahren  durch  eine  Fülle  von

Sonderveranstaltungen  aufgelod<ert:

Unsere Ol munternahm Ende April eine Studienfahrt zur Biologischen Station

„Heiliges Meer" bei Hopsten. Im Juni weilte sie eine Woche lang in Berlin.

Unsere beiden sprachlichen Oberprimen (Ol sa und Ol sb) folgten im Mai einer
Einladung der Bundeswehr zum Besuch des Fliegerhorstes in Rheine-Hopsten. Im
Januar  besuchten  sie  die  Kölner  Ford-Werke  sowie  den  Westdeutschen  Rundfunk
und folgten anschließend einer Einladung Bonns zum Besuch des Hauses der Deut¬
schen Einheit und des Bundestages.

Im Juni verbrachte auch unsere Oll meinige Tage auf der Biologischen Station
„Heiliges Meer" bei Hopsten. Im Januar folgten zwei eintägige Studienfahrten:
zu den Chemischen Werken in Marl-Hüls sowie zu einem Hüttenwerk in Bochum.

Unsere Ulm fuhr im Juni ins Taubertal, unsere UM min die Rhön,

UM sa in den Bayerischen Wald.

u n s e r e

Im Juli fand die schon Tradition gewordene Fahrt einer unserer sprachlichen
Unterprimen nach Orleans statt. Diesmal war es unserer Ul sa vergönnt, Orleans
zu  besuchen.

Nach den Großen Ferien unternahmen unsere beiden sprachlichen Obersekun¬

den  (Ollsa  und  Ollsb)  eine  gemeinsame  Studienfahrt  nach  Holland.

Im Dezember konnte unsere UII mdie Aluminium-Werke in Lünen besichtigen.

Sie verband damit in sinnvoller Weise einen Besuch im nahen Cappenberg.

Die größte Freude löste in diesem Schuljahr wohl das Schreiben des Leiters des
Lycee Pothier, Prof. Soudan, aus, in welchem unser Schulchor im Namen der Stadt
Orleans eingeladen wurde, bei den Jeanne-d'Arc-Felern im Mai 1964 mitzuwirken.
Von  den  Eindrücken  unserer  55  Sänger  auf  dieser  Fahrt  berichten  wir  an  anderer
S t e l l e .

*

Die übliche Feierstunde zum „Tag der deutschen Einheit" wurde in diesem Schul¬
jahr  von  den  Schülern  unserer  Ol  mgestaltet,  die  in  höchst  anchaulicher  Weise  von
den  Eindrücken  berichteten,  die  ihnen  ihre  gerade  abgeschlossene  Fahrt  In  die  zwei¬
geteilte  Stadt  Berlin  (6.  bis  13.  Juni)  vermittelt  hatte.  —Die  Gedenkstunde  zum
20. Jahrestag des 20. Juli 1944 wurde von den Schülern unserer Ol sa durchgeführt,
die zugleich eine kleine Bild- und Buchausstellung anläßlich dieses Tages in einem
unserer Flure zeigten. —Am „Tag der Heimat" (12. Sept.) las der Wibbeltinterpret
Rainer Schepper in unserer Aula Gedichte und Prosastucke von Augustin Wibbelt.

6

�Am 25. Juni wirkte unser Knabenchor bei einem Schloßgarten-Konzert zu Gun¬
sten des Roten Kreuzes mit. Unsere Chorknaben und ihr Chorleiter, Herr Dr. Alle-
rup, ernteten dabei wiederholt anhaltenden Applaus.

*

Am 7. Juli fand im Preußen-Stadion und auf dem Reichsbahnsportplatz unser
diesjähriges Schulsportfest statt. Am 11. Juli wurden auf unserem Binnenhofe, auf
dem sich die gesamte Schule versammelt hatte, die Sieger der diesjährigen Bundes¬
jugendspiele sowie unsere vorjährigen Schülerlotsen geehrt.

Auf unserem Schulsportfest wurden z. T. hervorragende Ergebnisse erzielt. Fol¬

gende Leistungen sollen besonders erwähnt werden:

50-m-Lauf  (Jahrg.  1952  —1954}
75-m-Lauf  (Jahrg.  1950  —1951)
100-m-Lauf  (Jahrg.  1948  —1949)

100-m-Lauf  (Jahrg.  1947  u.  ä.)

Schlagballweitwurf  (Jahrg.  1950)
Kugelstoßen  (Jahrg.  1949,

5kg)
(Jahrg.  1946,  6,25  kg)
(Jahrg. 1944, 6,25 kg)

Weitsprung (Jahrg. 1954)
(Jahrg.  1948)
(Jahrg.  1947)
(Jahrg.  1946)

Dreikampf

Rädecker,
Parche,
Scheele,
Stratmann,
Drees,
Möller,
Klaholz,
Ströber,
Beltrop,
Kleinhölter,
Mertens,
Rottke,
Schmaloer,
Weikert,
Lohmann,
Gänsfuß,
Martin  Scheele,

7,2  Sek.,  Neuer  Schulrekord
9,6  Sek.
11,4  Sek.
11,7 Sek.
10,8  Sek.,  Neuer  Schulrekord
11,2 Sek.
11,2  Sek.
7 2
m
10,20 m
11,82  m
13,19  m.  Neuer  Schülrekord
4,10  m
6,00  m
6,10  m
6,20 m
6,48  m

8 4  P u n k t e

Für  unser  Schulsportfest  hatten  wir  die  4x  100-m-Staffel  und  die  3xl000-m-
Staffel des Adalbert-Stlfter-Gymnosiums Castrop-Rauxel zu einem Schulvergleichs¬
kampf eingeladen. Wir gewannen die 4x100-m-Staffel, Castrop-Rauxel die 3x1000-
m-Staffel. Dieser Schulvergleichskampf hat sich später als eine gute Vorbereitung
für die Bannerwettkämpfe in Hagen erwiesen, auf denen unsere 4x100-m-Staffel
den ersten Platz und die 3x1000-m-Staffel des Gymnasiums Castrop-Rauxel den
vierten  Platz  erreichte.

Daß unsere Schule gute Läufer hat, bewiesen auch die Schulbestenkämpfe des
Bezirks Münster Nord und Ost im 08-Stadion, wo unsere beiden Staffeln (8 x50-m-
Lauf, 8X100-m-Lauf) ebenfalls jeweils den ersten Platz belegten.

*

7

�Ein  Schüler  unserer  Schule  endete  im
Laufe des verflossenen Schuljahres sein
junges Leben. Es ist Rainer Hegemann,
Schüler  der  Olli  sb.  Er  starb  am  13.  No¬
vember  nach  kurzer,  aber  schwerer  Krank¬
heit.

An seiner Beerdigung am 17. Novem¬
ber  nahmen  der  Direktor,  mehrere  seine«
Lehrer  sowie  eine  größere  Abordnung
von  Mitschülern  teil.

Am  13.  Juli  nahmen  unsere  katholischen
traditionellen

Lehrer  und  Schüler  an  der 
„Großen  Prozession"  teil.

Unsere Qberstufenbälle (SomTnerball
am  21.  Juli,  Winterball  am  26.  Januar),
von der SMV organisiert, vereinten Lehrer und Oberstufenschüler im Schloßgarten-
R e s t a u r a n t .

Am 25. Juli besuchte uns eine Schülergruppe der Nunthorpe Grammar School
aus  York,  die  mit  ihren  Lehrern  einige  Tage  in  unserer  Stadt  zubrachte.  Die  22
Schüler  wurden  mit  den  sie  begleitenden  Lehrern  in  unserer  Halle  am  Ehrenmal  von
Herrn Direktor Dr. Spreckelmeyer herzlich begrüßt. Unser Schulchor erfreute die
G ä s t e  m i t  d e u t s c h e n  V o l k s l i e d e r n .

Auf  einer  Biologentagung  in  Hersfeld  bei  Kassel  im  Oktober  wurde  unserem
Oberprimaner Michael Harengerd der Hörlein-Preis verliehen für seine ausgezeich¬
nete  ornithologische  Arbeit.

'Bernl^ard pof^LköUer

U N I V E R S I T Ä T S - B U C H B I N D E R E I
Rothenburg  38

M ü n s t e r

Einrahmungen:  Stil-  und  Leistenrahmungen  ●Wechsei-Bildhalter
B i l d e r :

Gemälde  ●Reproduktionen
Stiche  ●Lithographien  ●Radierungen  ●Holzschnitte

G r a fi k :

In  der  Werkstatt  werden  mit  handwerklicher  Sorgfalt  angefertigt:
Bucheinbände  ●Urkunden  ●Leder-  und  Pergamentarbeiten

8

�Vom  22.  bis  26.  Februar  fand  unter  dem  Vorsitz  von  Herrn  Oberstudiendirektor
Dr. Spreckelmeyer unsere diesjährige Reifeprüfung statt. Am 24. Februar wohnten
Herr  Stadtschulrat  Dr.  Hoß  und  der  Vorsitzende  unserer  Schulpflegschaft,  Herr
Facharzt  Dr.  Badde,  der  Prüfung  bei.

Alle 52 Oberprimaner haben die Reifeprüfung bestanden. Hier ihre Namen so¬

wie die von ihnen in Aussicht genommenen Berufe:

Klasse Ol sa (Klassenleiter: Studienrat Gruhn):

V^illi  Adams,  Handorf
Heinz-Ulrich  Eggert,  Münster
Karl-Ferdinand  Fricke,  Münster
Walter  Fricke,  Münster
Bernd  Görtz,  Münster
Carl-Peter  Hamei,  Münster
Jürgen  Hinz,  Münster
Heinz  Jaeckel,  Münster
Klaus-Peter  Kaücinski,  Münster
Klaus  Larmann,  Münster
Walter  Lindstrot,  Münster
Wolfgang  Nolte,  Münster
Helmut  Ranft,  Münster
Klaus  Röttgering,  Münster
Franz-Peter  Schmidt,  Münster

Diplom-Ingenieur
Philologe
V o l k s w i r t
V o l k s w i r t
A r z t
P i l o t
Physiker
Volkswirt
Jurist
V o l k s w i r t
Diplom-Ingenieur
Philologe
Philologe
Wirtschaftsingenieur
B i o - C h e m i k e r

Klasse Ol sb (Klassenleiter: Stuidenrat Ehrhardt):

Peter  Barth,  Münster
Hubert  Baumeister,  Havixbeck
Jörg  Foigmann,  Münster
Karlfried  Greuling,  Münster
Michael Harengerd, Angelmodde
Heinrich  Heidbrink,  Münster
Wolfgang  Hesse,  Münster
Jürgen  Köhn,  Münster
Gerhard  Lühn,  Münster
Gerhard Merten, Ascheberg
Lutz  Mertens,  Münster
,Karl-Dietmar  Möller,  Münster
Ulrich  Nagel,  Munster

Ingenieur
Philologe
Philologe
J u r i s t
Zoologe
Volksschullehrer
Marineoffizier
Volkswirt
Philologe
Verleger
Volkswirt
Bau-Ingenieur
A r z t

^egen6hcrg6clyc ^udyhandlimg

Inhaber:  Dr.  Anna  Lucas

Münster  ●Alter  Steinweg  1●Telefon  44812

S C H U L B Ü C H E R

●A t l a n t e n  ●W ö r t e r b ü c h e r
*Das  gute  Jugendbuch
●Ta s c h e n b ü c h e r

9

�Der  Abiturient  Martin  Jablonski  (Ol  m)  erhielt  für  besondere  Leistungen  eine  Buchprämie.

(Rechts:  Oberstudiendirektor  Dr.  Spreckolmeyer;  Mitte:  Studienrat  Hagemann.)

Reinhold  Schapmann,  Münster
Christian  Sezuka,  Münster
Wilfried  Sudmann,  Wolbeck
Hartwig  Witte,  Münster

Philologe
A r z t
A r z t
A r z t

Klasse  Olm  {Klassenleiter:  Studienrat  Hagemann):
Physiker
Physiker
kath.  Theologe
Diplom-Mathematiker
Vo l k s s c h u l l e h r e r
Kybernetiker
Diplom-Ingenieur
J u r i s t
Diplom-Mathematiker
J u r i s t
A r z t
Philologe
Diplom-Ingenieur
L e b e n s m i t t e l c h e m i k e r
Vermessungs-Ingenieur
Kybernetiker
A r z t
Physiker
A r c h i t e k t
Straßenbau-Ingenieur

Georg  Althoff,  Münster
Hans-Georg  Badde,  Münster
Wolfgang  Bonsiepen,  Münster
Siegfried  Eustermann,  Münster
Reinhard  Fichtner,  Münster
Ulrich  Garde,  Borghorst
Klaus-Dietrich  Hagge,  Münster
Hans  rieitgreß,  Kattenvenne
Martin  Jabionski,  Münster
Ulrich  Kaufmann,  Münster
Franz-Josef  Knust,  Münster
Bernd  Lindner,  Münster
Gerhard  Lottes,  Münster
Gerhard  Lux,  Münster
Günter  Möller,  Münster
Manfred  Plümpe,  Münster
Helmut  Quittek,  Münster
Peter  Schenk,  Würzburg
Dirk  Stöver,  Münster
Horst-Dieter  Wolters,  Münster

1 0

�Abschiedsfeier  für  die  Abiturientia  1965

Die feierliche Entlassung war auf Samstag, den 6. Mörz, gelegt. Um 9.00 Uhr
fand  in  der  Lambertikirche  und  in  der  Erlöserkirche  der  Gottesdienst  für  die  Abitu¬
rienten,  ihre  Eltern  und  die  Schüler  statt.  Um  10.30  Uhr  begann  die  Entlassungs¬
feier.  Als  Gäste  waren  erschienen  der  Vorsitzende  des  Schulausschusses  der  Stadt
Münster,  Ratsherr  Dr.  Berg,  ferner  von  der  Erlöserkirche  Herr  Pfarrer  Hilge,  der
Vorsitzende der Schulpflegschaft des Schlaun-Gymnasiums, Herr Dr. Badde, eine
Reihe pensionierter Kollegen und viele Eltern unserer Abiturienten. Mit besonderer
Freude konnte der Leiter der Schule vier Herren der goldenen Abiturientia begrü¬
ßen, die, zum Jahrgang 1915 gehörend, bereits im August 1914 ihre Reifeprüfung
nach verkürzter Schulzeit ablegten, um als Freiwillige ins Heer einzutreten. Der Ein¬
ladung des Schulleiters an die „Goldenen" konnten Folge leisten die Herren Steu¬
eramtmann i. R. Böhm, Kinderarzt i.R. Dr. Sauer, Polizeioberstleutnant i. R. Spieker
und Regierungsbaudirektor i. R. Middeiberg. Der Direktor fand besonders herzliche
Worte des Dankes für Herrn Middeiberg für seine Verdienste als Vorsitzender des
Vereins der ehemaligen Schüler des Schlaun-Gymnasiums. Als Sprecher der Silber¬
nen Abiturientia, Jahrgang 1940, der ebenfalls aus Kriegsgründen bereits 1939 die
Schule vorzeitig verlassen mußte, wurde Herr Ruwe, Leitender Regierungsdirektor
beim Regierungspräsidenten von Münster, begrüßt. Mit Herrn Regierungsdirektor
Ruwe  erschienen  aus  der  Silbernen  Abiturientia  die  Herren  Bundesbahnoberspinktor
Dabeck, Kaufmann Erdmann, Dr. med. Oberliesen, Architekt Matschke, Realschul¬
lehrer  Nadirk  und  Kaufmann  Stephan.

Zur Vortragsfolge der diesjährigen Abschiedsfeier, die ganz von der Begegnung
dreier Abiturienten-Generationen  geprägt  war,  gab  der  Schulleiter  noch  folgende
Erklärung; „Sicher hat es Sie, meine Damen und Herren, gewundert, die Jahre 1914
und  1939  an  so  betonter  Stelle  zu  finden.  Es  ist  nämlich  ein  besonderes,  gemein¬
sames Schicksal, das die Abiturienten des Jahrganges 1915 und 1940 miteinander
verbindet. Beide Jahrgänge waren durch den 1. und 2. Weltkrieg gezwungen, ihre
Schulausbildung vorzeitig abzubrechen. Der Jahrgang 1915 legte unmittelbar nach
Kriegsausbruch am 5. September 1914 die Reifeprüfung unter außergewöhnlichen
Umständen ab. Der Jahrgang 1940 wurde z. T. schon im September 1939 eingezo¬
gen und auf diese Weise von einem gleichen Schicksal betroffen. Aus diesem Grunde
sollte am heutigen Morgen die Schicksalsstunde von 1914 und die von 1939 in Ge¬
dicht und Lesung beschworen, die Abiturientia des Jahrganges 1965 aber an ein
Wort des unvergeßlichen Theodor Heuß erinnert werden. Möge durch die Begeg¬
nung  von  3Abiturientien  des  Schlaun-Gymnasiums,  der  goldenen  von  1915,  der
silbernen  von  1940  und  der  Abiturientia  von  1965  das  Band,  das  alle  Schlaun-

11

�Der „Goldene" Jahrgang 1915 mit seinem Klosscnleiter Dr. Poelmann (späterem Direktor der Schule)

im Jahre 1913 (= Obersekundo^

Schüler verbindet, fester werden und unsere Tradition im Menschlichen verwirk¬
lichen  helfen!"

Es darf hier mit Stolz vermerkt werden, daß der Chor der Schule, in dem dies¬
mal  nicht  nur  die  bekannten  Chorknaben,  sondern  auch  der  Männerchor  der  Schule
mitwirkten, sich seiner Aufgabe hervorragend entledigte —wie könnte es anders
sein unter der bewährten Leitung von Herrn Dr. Allerup? Auch unser junges Or¬
chester zeigte, daß Herr Dr. Bozzetti erfreuliche Aufbauarbeit geleistet hatte. Dank
auch  an  dieser  Stelle  allen,  die  an  der  Feier  mitwirkten.

In der Feierstunde selbst wurde der Augusttage 1914 gedacht durch das R.ilke-
gedicht „August 1914" und das visionäre Gedicht „Grodek" von Georg Trakl aus
dem gleichen Jahr. Die Situation von 1939 erstehen zu lassen, wurde von dem —
künstlerisch  weniger  bedeutenden  —Gedicht  von  Ina  Seidel
A n  d e n  S t r a ß e n
August 1939" erwartet. Ein Zeugnis der inneren Haltung der Kriegsgeneration von
1939 aber bot der ergreifende „Kriegsbrief von der russischen Front", den ein An¬
gehöriger  dieser  Generation  1941  kurz  vor  seinem  Tode  als  Vermächtnis  schrieb
in seinem Bekenntnis zum wahren und seiner Abkehr vom schuldigen Deutschland.
Vor der Überreichung der Reifezeugnisse, für die in diesem Jahre eine graue

Mappe  mit  einem  Bild  des  Erbdrostenhofes,  erbaut  von  Johann-Konrad  Schiaun
bereitet  war,  hielt  der  Direktor  folgende  Ansprache:

, v o r -

1 2

�„Wohl  selten  hat  ein  Direktor  Gelegenheit,  sich  an  drei  Abiturientien  seiner
Schule zu wenden, die altersmäßig 25 und 50 Jahre auseinanderliegen. Anstatt
einer gelehrten Frage, einem tiefgründigen Satz oder einer schulpolitischen Gegen¬
wartskalamität hier wohlausgerüstet nachzugehen, möchte ich den beklemmenden
Atem  der  Geschichte  der  Jahre  1914  und  1939  in  der  kleinen  Weit  unserer  Schule
aufspüren und so der Erinnerung, nicht in letzter Schwere und Ausweglosigkeit, son¬
dern in Gelassenheit ein Opfer bringen. Für unsere Abiturientia kann es noch ein
sehr persönliches Bild zur Zeitgeschichte werden. Ich habe die Jahresberichte und
Unterlagen der Schule mit Sorgfalt studiert, und es war mir eine große Freude, daß
die Berichte der Jahre 1914/15 und 1939/40 noch vorhanden waren, während so
manche andere durch die Ungunst der Verhältnisse wohl auf immer verloren sein
d ü r f t e n .

Der XK Jahresbericht der Oberrealschule zu Münster über das Schuljahr 1914/15
enthält  außer  der  noch  sehr  einfachen  übersichtlichen  Lehrverfassung  die  Unter¬
richtsverteilung des gleichen Schuljahres und damit die Namen der Oberlehrer und
Lehrer.  Unter  dem  Direktorat  von  Dr.  Hoffschulte  waren  22  Lehrer  tätig,  darunter
ein  Professor,  12  Oberlehrer  und  9andere  Lehrer. Als  Oberlehrer  ist  in  diesem
Jahr bereits an der Schule angestellt der spätere Direktor und Nachfolger von Dr.
Hoffschulte, Herr Dr. Poelmann, ferner der spätere Oberschulrat Dr. Bohlen und
der im vorigen Jahr verstorbene Oberstudienraf Ludwig Freibüter, der nach Aus¬
bruch des Krieges die sog. Liebesgabenaktion organisierte, ln 15 Klassen wurden
454  Schüler  unterrichtet.  Die  Oberprima  zählte  15  Schüler,  die  auf  Grund  des
Erlasses vom 1. 8. 1914 bereits in der Zeit vom 5. bis 8. August ihre Reifeprüfung
ablegten und mit dem Zeugnis der Reife zum Heeresdienst entlassen wurden.

Der  Jahresbericht  der  Städt.  Oberrealschule  1914/15  enthält  eine  Darstellung,
die in einem Jahresbericht fremdartig anmutet, die aber zeigt, wie die große Ge¬
schichte  des  Deutschen  Reiches  sich  im  kleinen  Bezirk  unserer  Schule  auswirkte.  Der
Der  Krieg".  Und  so  beginnt  er:  „Die  Zeugniskon-
Bericht  trägt  die  Überschrift:
ferenzen waren vorüber, die Herbstzeugnisse lagen schon fertig vor, als am Sams¬
tag, dem 1. August, der Mobilmachungsbefehl an Deutschlands Heer und Flotte
erging. Am Sonntag, dem 2. August, rückten deutsche Truppen in Luxemburg ein!
Wer  konnte  da  noch  in  diesen  ersten Tagen  allgemeiner  Begeisterung  an  einen
ruhigen Unterricht denken! Der Ferienanfang war auf Dienstag, den 4. August,
festgesetzt; aber der Kriegsstimmung nachgebend, versammelten sich Lehrer und
Schüler am Montagmorgen in der Turnhalle, um nach einem jubelnden dreifachen
Hoch auf unseren Obersten Kriegsherrn mit dem Liede „Deutschland, Deutschland,
über alles" Abschied zu nehmen von der Schule, nach Hause zu eilen und den ins

1 3

�Der «Goldene" Johrgeng 1915, anläßlich seines Kriegsobifirrs im August 1914

Feld ziehenden Freunden und Verwandten Lebewohl zu sagenl" Zwei Stunden spä¬
ter bereits schlug das Pfadfinder-Vermittlungsamt, das unter der Leitung von Leh¬
rern der verschiedenen höheren Schulen Münsters stand, seinen Sitz in unserer Turn¬
halle  auf.  Der  Bericht  aber  fährt  fort:
Und  während  sich  unten  auf  dem  Hofe
und in der Turnhalle die Pfadfinder tummelten, trat im Obergeschoß bald diese,
bald jene „Kommission" für eine Notprüfung zusammen, der auf Grund täglich
einlaufender Verfügungen Oberprimaner, Unterprimaner, Untersekundaner und
alle auswärtigen Prüflinge unterzogen werden mußten ', die teils bereits als Sol¬
daten in fernen Garnisonen eingezogen waren. Dabei waren bereits in den ersten
drei Mobilmachungstagen sieben Herren des Lehrerkollegiums zu ihren Regimen¬
tern beordert. Der Bericht enthält weiter genaue Einzelheiten über die Kriegsschick-
saie der Lehrer und ehemaligen Schüler. Die Seite 22 ist schwarz umrandet und
enthält die Namen von 15 ehemaligen Schülern, die in der Zeit von August 1914
bis Februar 1915 ihr Leben hingaben, Angehörige der Generation von Langemarck.
In  diesen  ersten  Monaten  waren vier Lehrer unserer Schule gefallen. Vom Abitu-
rientenjohrgang 1915, der seine Reifeprüfung bereits im August 1914 ablegte, sind
heute 4Herren anwesend. Aus der Lehrergeneration dieses Jahrgangs erfreuen
sich noch guter Gesundheit: Studienrat Schmidt, der z. Z. im Sauerland weilt und
den Abiturienten herzliche Glückwünsche übermitteln läßt, ferner Oberstudien¬
direktor Dr. Poelmann, der in der Nähe von Fulda wohnt, und Herr Oberschulrat

1 4

�a.  D.  Dr.  Bohlen.  Ich  möchte  diesen  Rückblick  nicht  abschließen,  ohne  diesen  Lehrern
und  den  goldenen  Abiturienten  herzlichste  Wünsche  für  ihren  weiteren  Lebensweg
z u  s a g e n .

Und  nun  zur  silbernen  Abiturientia:

„Das  Schuljahr  1939/40  begann  am  18.  April  mit  der  bekannten  Flaggenehrung",
wie  es  im  Bericht  der  Schule  heißt.  43  Lehrer  unterrichteten  709  Schüler  in  24  Klas¬
sen. Von den Lehrern des Jahres 1939 gehören noch heute dem Kollegium an: die
Oberstudienräte Dr. Henke und Dr. Lütgen, die Studienräte Otte und Hungerberg.
Der Bericht über die Wochen vor dem Kriegsausbruch läßt in seiner Nüchtern¬
heit nichts von Kriegsbegeisterung verspüren, wo doch organisierte Begeisterung
zu den selbstverständlichen Haltungsbekundungen jener Jahre gehörte. Ich zitiere
aus  dem  Bericht  von  Oberstudienrat  Dr.  Oebicke:  „Der  Sommer  war  äußerlich  ruhig
abgelaufen.  In  der  Schülerwerkstatt  wurde  fleißig  gebastelt,  die  astronomische
Arbeitsgemeinschaft tagte auf der Sternwarte, besprach dort oben aber auch die
Möglichkeit, daß der Turm eines Tages das Ziel feindlicher Flieger werden könne.
Denn  im  Gebälk  des  deutschen  Reiches  knisterte  es  vernehmlich.  Die  Diplomaten
waren  sehr  aktiv.  Der  Luftschutzbund  entwickelte  eine  fieberhafte  Tätigkeit,  um
Männer und Frauen im luftschutzmäßigen Verhalten bei Fliegeralarm zu schulen.
Es wurden Verdunkelungsübungen abgehalten und die Einrichtung eines Luftschutz¬
kellers  in  jedem  Hause  verlangt.  Trotzdem  glaubte  niemand  an  Krieg,  weil  er
ja nur mit dem Untergang von ganz Europa enden und unermeßliches Elend über
die  Welt  bringen  würde  ...Doch  vorerst  gingen  wir  in  die  Ferien  und  verlebten
herrliche Tage bei schönstem Wetter. Die Zeitungen allerdings und der Rundfunk
berichteten  von  Zusammenkünften  der  Staatsmänner.  Der  aufmerksame  Beobachter
bemerkte Truppenbewegungen gegen die Grenzen des Reiches. Plötzlich standen
Posten an Brücken und Bahnübergängen. Auf den Dächern der Grenzbahnhöfe
wurden  Maschinengewehre  aufgestellt  ..."  Der  Bericht  bringt  noch  weitere  Ein¬
zelheiten  und  dann  den  einfachen  Satz:  „28  Schüler  der  8.  Klasse  wurden  zum
Wehrdienst  eingezogen".  Das  Schülerhauptverzeichnis  enthält  genau  die  Daten,  an
denen  die  einzelnen  Schüler  die  Schule  verlassen  mußten.  Die  drei  Klassen  8a,  b
und cverloren täglich Mitglieder. Nur ein kleiner Rest —14 von 42 —wurde ord¬
nungsgemäß im Frühjahr 1940 einer Prüfung unterzogen. Mit ihnen erhielten die 28,
die  bereits  im  Felde  standen,  das  Zeugnis  der  Reife  zuerkannt.  19  von  42  dieses
Jahrganges sind m. W. im Verlauf des Krieges gefallen. Ihre Namen und ihr An¬
d e n k e n  b e w a h r t 

i n  T r e u e  d a s  E h r e n m a l  d e r  S c h u l e .

Ich  möchte  auch  der  Silbernen  Abiturientia  des  Schlaun-Gymnasiums,  deren  An¬
gehörige nunmehr generationsmäßig auf der Höhe des Lebens und des Schaffens

1 5

�Stehen, alles Gute für die Zukunft wünschen und sie bitten, als Schiaunschöler die
Verbindung mit ihrer alten Schule zu bewahren.

U n d  n u n  z u  E u c h :

Und das hat zunächst die diesjährige Abiturientia mit der goldenen und sil¬
bernen gemeinsam: Auch in diesem Jahrgang haben alle das Reifezeugnis erreicht.
Der Rückblick aber, den wir aus dem unmittelbaren Bericht der Schule wagten, hat
die große Schicksalsverschiedenheit der Generationen offenkundig gemacht. Wenn
auch die heutige Weltstunde wahrhaftig nicht ohne ernste Gefahr ist: Sie haben
jetzt  noch  die  große  Chance,  ohne  Bruch  Ihr  Leben  zu  leben  und  sich  für  eine  Zu¬
kunft in Staat und Gesellschaft vorzubereiten, Freiheit und Verantwortung abzu¬
wägen.  Wir  als  Ihre  Lehrer  können  nicht  voraussehen,  was  Sie  aus  Ihrem  Leben
machen, ob Sie es verspielen in kleiner Münze oder ob Sie in Ernst und Treue durch
alle Zeitumstände hindurch um das Ewige im Menschen bemüht sind. Darf ich das
Bild, das ich zu Beginn der Prüfung gebrauchte, hier wieder aufnehmen, auch wenn
es  altmodisch  erscheint:  Die  Schule  hat  gesät.  Wenn  Sie  sich  mühen,  wird  der
Herr die Ernte Ihres Lebens segnen.

Und so möchte ich Ihnen das Zeugnis der Reife übergeben: im Vertrauen auf
ein gutes Gelingen, in der Erwartung, daß Sie Ihr Bestes geben und nicht zuletzt
mit  guten  Wünschen  Ihrer  alten  Schule,  deren  Türen  auch  in  Zukunft  stets  für  Sie
offenstehen  i"

1 6

�Worte unseres Schulsprechers bei der Abiturienfen-Entiassung
Wie  ist  das  nun,  wenn  ihr  heute  da  sitzt  in  unserer  Aula  und  Abschied  nehmt

von euren Lehrern und von uns, euren Mitschülern? Seid ihr glücklich?

Ihr  werdet  sagen:

reicht  haben."

Das  ist  doch  selbstverständlich,  da  wir  ein  erstes  Ziel  er-

Soweit  wird  das  richtig  sein.  Aber  man  könnte  sich  denken

und  man  hat
es  sagen  hören  —,  doß  auch  ein  bißchen  Wehmut  dabei  ist.  Keiner  braucht  sich
dessen zu schämen. Denn ein Stück eures Lebens ist vorüber, und ihr geht in eine
Zukunft,  die  manchem  von  euch  fremd,  unbestimmt  und  vielleicht  unbehaglich  er¬
scheinen mag. Ihr müßt jetzt allein gehen. Eure Kameraden werden in alle Winde
zerstreut,  und  eure  Lehrer  rücken  euch  ferner  und  ferner.

Nehmt  gute  Erinnerungen  mit,  und  vergeßt  die  weniger  guten!  Wenn  der  alte
Charles  Lamb  schreibt:  „Why  are  we  never  quite  at  our  ease  in  the  presence  of
aschoolmaster?"  —so  muß  man  das  nicht  zu  ernst  nehmen.  Wir  machen  oft  an¬
dere Erfahrungen. Der erste Bundespräsident wußte sich im hohen Alter noch zu
erinnern an die Räume und Korridore seiner Schule, an die Figuren und Inschriften
darunter. Auch  ihr  werdet  solche  Erinnerungen  mitnehmen.  Bewahrt,  was  ihr  In
euren besten Stunden gedacht, euch geschworen und getröumt habt! übrigens wird
auch über eure Träume die Tat entscheiden. Seid nicht zu fleißig! Verhaltet euch
so, wie ihr es ouf dem Schlaun-Gymnaslum gelernt habt! Der Kopf ist nicht der
einzige wertvolle Teil des Menschen. Man muß auch singen können und tanzen
u n d  a u t o f a h r e n .

Ihr  wollt  mit  der  Zeit  gehen?  Das  ist  richtig.  Aber  kommt  von  Zeit  zu  Zeit
zurück!  Wenn  ihr  im  obersten  Stockwerk  angekommen  seid,  so  vergeßt  nicht,
daß es auch untere Stockwerke gibt und Treppen und Stufen.

Laßt  mich  mit  einem  Wort  von  Ringelnatz  schließen:

,Die  Erde  hat  ein  freundliches  Gesicht,
So  groß,  daß  man's  von  weitem  nur  erfaßt.
Komm,  sage  mir,  was  du  für  Sorgen  hast!
Reich  willst  du  werden?  Warum  bist  du's  nicht?"

Thomas  Abeier  {UI  sb)

.Wacht  darüber,  daß  eure  Herzen  nicht  leer  sind,
wenn  mH  der  Leere  eurer  Herzen  gerechnet  wirdl"

N B :

Obige  Worte  von  Günter  Eich  standen  auf  der  Abiturkarte  unserer  dies¬
jährigen  Abiturientia.

1 7

�iiiiiilllii

Landesbank  für  Westfalen

Girozentrale

öffentlich-rechtliche Körperschaft
M Ü N S T E R / W E S T F .

B I E L E F E L D

D O R T M U N D

Zentralbank der westfälischen und lippischen Sparkassen

A U S F Ü H R U N G 

A L L E R 

B A N K G E S C H Ä F T E

Abteilung  der  Landesbank:

W E S T F Ä L I S C H E 

L A N D E S 

- B A U S P A R K A S S E

i b

�Ansprache des Sprechers der Abiturientia

Schon  beim  letzten  Teil  meiner  Anrede  hatte  ich  Schwierigkeiten.  War  es  rich¬
tig zu sagen: „Liebe Mitschüler?" Denn wo steht der Abiturient eigentlich? Er steht
ein  bißchen  über  den  Schülern,  ein  ganzes  Stück  unter  den  Lehrern  und  ge¬
wissermaßen  neben  sich  selbst.  Er  ist  uneins  geworden  mit  sich,  well  er  dos
nicht  mehr  Ist,  was  er  war,  und  das  noch  nicht,  was  er  wird.  Es  dauert  noch  eine
schöne Zeit, bis er sich entpuppt zum fleißigen Studenten, zum Geldverdiener oder
—nach  dem  Worte  Wolfgang  Borcherts:

„Zicke  Zacke  Juppheidi,
schneidig  ist  die  Infantrle"  —

zum zickig zackigen Bundeswehr-Soldaten.

Er ist für unsere Zukunft von einiger Bedeutung, der Reifezeugnisschein. Oder
sollte man besser sagen: der Schein der Reife? Zwar könnte der Abiturient Geld¬
verdiener  und  Soldat  auch  ohne  ihn  werden.  Aber  —erinnern  wir  uns!  —wie
leicht könnte man einmal gefragt werden, sogar von höhergesfellten Persönlich¬
keiten: „Haben Sie überhaupt das Abitur?" Offenbar ist das Reifezeugnis in den
Augen mancher ein Testat zur Satisfaktionsbefähigung auf geistigem Gebiet ge¬
worden. Große Unterschiede auf diesem Gebiet gibt es aber nicht nur zwischen
Nichtabiturient  und  Abiturient,  sondern  auch  zwischen  Abiturient  und  Abiturient.
Während sich der eine seine ganze Schullaufbahn hindurch vom Wohlwollen seiner
Lehrer ziehen und tragen ließ, hatte der andere das nicht nötig. Der eine nutzte
jede Möglichkeit, etwas zu lernen; dem anderen genügte es, wenn er allösterlich
gerade versetzt wurde. Der eine stellte sich gern der Begegnung mit Ideen, gei¬
stigen Werten und Menschen; er sah auch im Lehrer einen Menschen. Der andere
versuchte, Unmassen von Wissensmaterial in sich anzuhäufen; er sah im Lehrer
den  Wissensvermittler.  Kurzum:  die  einen  waren  bessere,  die  anderen  weniger
gute  Schüler,  solche,  bei  denen  die  Lehrer  oftmals  allen  Grund  hatten,  darüber
zu  klagen,  daß  sie  ihre  Perlen  vor  eine  gewisse Art  von  Haustieren  zu  werfen
h ä t t e n .

Immerhin  haben  Sie,  verehrte  Lehrer,  uns  zu  Abiturienten  gemacht,  wenn  auch
oftmals im wahrsten Sinne des Wortes „herangezogen". Es ist an dieser Stelle für
den Sprecher einer Abiturientia üblich, seinen Lehrern dafür zu danken. Ich möchte
das  nicht  tun,  weil  es  üblich  ist,  sondern  weil  wir,  wenn  wir  uns  zurückbesinnen,
erkennen,  daß  es  eine  mühevolle Arbeit  war,  eine Arbeit,  von  der  mehr  wir  als
Sie den Lohn trugen. Dank möchte ich an dieser Stelle auch unseren Eltern sagen,
die  uns  nicht  nur  sieben,  wie  es  in  der  Ballade  vom  Hemd  heißt,  sondern  zwanzig
Jahre getragen haben und auch heute noch nicht sagen: „Ich kann es nicht tragen
mehr"  —obwohl  es  trotz  der  40  DM  Schülergeld  noch  eine  ziemliche  Belastung
des  familiären  Etats  bedeutet,  einen  Studenten  zu  unterhalten.  Ich  glaube,  es  wäre

1 9

�der schönste Erfolg für Sie, liebe Lehrer, und für Sie, liebe Eltern, wenn wir in Zu¬
kunft den uns gebotenen Perienschmuck würdiger zu tragen vermöchten.

Die äußerliche Voraussetzung bekommen wir mit dem Reifezeugnis. Es ist dabei
gleichgültig,  in  welche  der  genannten  Kategorien  der  Einzelne  fällt.  Der  Schein
macht  uns  nur  scheinbar  gleich.  Er  wahrt  den  Schein  der  Reife. Aber  darüber,
glaube ich, gibt es keinen Zweifel, daß sich keiner von uns mit dem heutigen Tage
grundlegend  ändern  wird.

Ich  glaube  daher:  Der  Schein  wahrt  den  Schein  nur  scheinbar.  Aber  in  anderer
Hinsicht bedeutet dieses Datum einen wichtigen Einschnitt und —damit komme ich
auf den Anfang zurück —eine wichtige Veränderung in unserem Leben: Wir sind
der Schule entwachsen. Wir sind erwachsen. Wir vollziehen den berühmten Schritt
ins Leben und wollen zeigen, daß wir ihm gewachsen sind.
Ulrich  Garde

G R 0 D E K

1 9 1 4

tönen  die  herbstlichen  Wälder

Am  Abend 
Von  tödlichen  Waffen,  die  goldnen  Ebenen
Und  blauen  Seen,  darüber  die  Sonne
Düster  hinrollt;  umfängt  die  Nacht
Sterbende  Krieger,  die  wilde  Klage
Ihrer  zerbrochenen  Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes  Gewölk,  darin  ein  zürnender  Gott  wohnt.
Das vergoss'ne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und  leise  tönen  im  Rohr  die  dunkeln  Flöten  des  Herbstes.

Ostolze  Trauerl  Ihr  ehernen  Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die  ungeborenen  Enkel.

Georg  Trakl

2 0

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Ün  Dukahnesel  wär*e  nichtschlechh
Leiden  sind  seine  Dukaten  nicht  echt
Wen klag ist, weiß meinen l^ofteiizu wahren.
Die echte GieXdxuOithevhwmXheißt: Spat'en!

S B A N K

Kriegsbrief von der russischen Front (Auszug)

O k t o b e r 

1 9 4 1

Wir  wollen  gemeinsam  in  der  furchtbaren  Not  der  Zeit  an  dem  Geist  dieses
Zeitalters, an den guten Geistern, an den Werken und Worten der Meister fest-
halten, diesen Blick niemals verlieren, bis endlich einmal diese Qualen ousgel/tten
sind und wir in unsere geistige Heimat zurückkehren dürfen! Dann wird zwischen
Blut  und  Tod,  Eiskälte  und  Schlamm  ....  strahlend  jenes  Wort  aufleuchten,  das
ungeschrieben über den Namen Herder und Lessing, über dem Zeitalter von Leib-
niz bis Goethe steht, jene humoni/os, jene hohe, reine Menschlichkeit, an der ver¬
zweifelnd festzuhalten in tierischer Umgebung auch zum Idealismus des Trotzdem
gehört. Verstehst Du, wie sich diese beiden Arten Idealismus, der echte und der in
Anführungsstrichen, unterscheiden? Jener fordert eine ungeheure Kraft, ja etwas
wie Heldentum, dieser produziert ein leicht in sich selbst sich wiegendes Pathos
mit nationalen Redewendungen. Jener verzehrt uns in seiner Glut, dieser stört unser
Leben nicht, lehrt uns, an ein „Für" zu glauben, das es nicht gibt. Es gibt für mich
hier draußen kein „Für", nur ein „Gegen". Aber ist es meine Schuld, daß ich ge¬
zwungen falsch orientiert bin? Verflucht die Schuldigen!

Harald  Henry  (Jahrgang  1919,
gefallen  1941)

C A R L 

M A R M O R 

F L O R A

M Ü N S T E R

i

'
+ N A T U R S T E I N I N D U S T R I E

21

�Am  23.  Juli  1964  mußten  wir  unsern  ver¬

ehrten früheren Lehrer und Kollegen

H e r r n  O b e r s f u d i e n r a t
Ludwig Freibüter

zu  Grobe  tragen.  Er  war  in  der  Frühe  des
20. Juli 1964 nach einem ungemein reichen
und gesegneten Leben in die Ewigkeit ab¬
gerufen  worden.
Da er seit 1946 im Ruhestand lebte, ist
er unseren derzeitigen Schülern zwar ein
Fremder. Umso mehr werden jedoch un¬
sere Ehemaligen ihn in guter und dank¬
barer Erinnerung haben.
Herr  Freibüter  war  seit  1910  Lehrer  an
dem damals noch Oberrealschule genann¬
ten heutigen Schlaun -Gymnasium. Sein
Name  ist  also  aufs  engste  mit  der  Ge¬
schichte  unserer  Schule  verbunden.  Er u n ¬
terrichtete in Mathematik, Physik und Bio¬
logie und war einer unserer angesehensten Lehrer. In den Johren, in denen Deutsch¬
land  dem  Nationalsozialismus  verfiel,  blieb er der ihm anvertrauten Jugend ein
unbeirrbares Vorbild der Festigkeit und Wahrheit. Seine Seelenstärke verdankte
er wohl nicht zuletzt seinem berühmten Taufpaten Ludwig Windihorst, der seinem
Täufling Ludwig Freibüter
Vorbild wurde. In der Nachfolge seines Taufpaten
fand Herr Freibüter Zeit und Kraft, auch außerhalb der Schule tätig zu werden. Jahr¬
zehntelang stand er an der Spitze des Diözesanverbandes der Vinzenzkonferenzen.
Bis kurz vor seinem Tode war er stellvertretender Vorsitzender des Caritasverban¬
des im Bistum Münster. Bei Beendigung des 2. Weltkrieges widmete er sich insbe¬
sondere dem Aufbau der katholischen Männerfürsorge. Schließlich war er sechs
Jahre lang Ratsherr der Stadt Münster und als solcher vor allem im Schulausschuß
sowie auf dem Gebiete der Wohlfahrt tätig. Papst Pius XII. würdigte seine hin¬
gebungsvolle karitative Tätigkeit, indem er ihm den päpstlichen Orden „Pro Eccle¬
sia  et  Pontifice"  verlieh.

z u m

„In den 36 Jahren seiner Tätigkeit

Sein einstiger Kollege, unser unvergeßlicher Dr. Oebike, der 1954

v o n  u n s  g e -
gangen ist, hot über Oberstudienrot Ludwig Freibüter folgendes niedergeschrieben:
der Oberrealschule, der späteren Schlaun-
Schule, hat Ludwig Freibüter recht segensreich gewirkt. Er war in erster Linie Mathe¬
matiker, in zweiter Linie Physiker und Biologe. Seine Schüler schätzten ihren Papa
Freibüter sehr wegen seines grundgütigen Wesens und seines guten Herzens. Wenn-
2 2

a

n

�gleich sein Ton etwas laut war, war er doch nicht furcht- und schreckenerregend. Nie
wurde er durch grobe Worte verletzend oder beleidigend. Aber manchen Schüler
hat er durch ein ernstes und bestimmtes Wort wieder auf den rechten Weg gebracht.
Im  Kollegium  genoß  er  größtes  Vertrauen  wie  selten  jemand.  Er  war  offen,  ge¬
recht  und  frei  von  jeder  Menschenfurcht  .... Am  1.  Oktober  1927  wurde  er  auf
einstimmigen Vorschlag des Kollegiums hin Oberstudienrat und als solcher stän¬
diger Vertreter des Direktors. Er war Meister in der Anfertigung des Stundenplanes
und hat nach dem Abgänge von Direktor Dr. Poelmann die Schule geführt bis zum
Amtsantritt von Direktor Dr. Eggers im August 1939. Und als dieser Betreuer aller
Luftwaffenhelfer im Bezirk des VI. Armeekorps wurde, hat er die Schule bis zum
Zusammenbruch des 1000jährigen Reiches geleitet."

e t w a s  s p a r e n
etwas  haben
etwas  sein

Niemand  ändert  sein  Leben,  wenn
er heute dies und morgen das be¬
ginnt,  um  ein  paar  Mark  mehr  zu
v e r d i e n e n .

V O M

Z U R Ü C K L E G E N ,

V O M

B E W A H R E N K Ö N N E N .

V O M

S P A R E N

hängen

Glück  und  Wohlstand  ab.

SPARKASSE  DER  STADT  MÜNSTER

2 3

�Mit dem Ende dieses Schuljahres neh¬
men  wir  Abschied  von  unserem  lieben  und
v e r e h r t e n

Lehrer  und  Kollegen

Herrn  Oberstudienrat  Gradaus
Wegen  eines  Leidens,  das  er  sich  im
letzten Kriege zuzog, mußte er sich vor¬
zeitig  in  den  Ruhestand  versetzen  lassen.
Er  wor  seit  1952  am  Schlaun-Gymna-
sium  tätig,  seit  1959  als  Fachoberstudien¬
rat  für  Englisch.

Er  konnte  nicht  einmal  seine 

letzte  Ober¬
prima  —die  diesjährige  Ol  sa  —ins  Abi¬
tur  führen,  was  ihm  selbst  wie  seinen
Schülern  besonders  schmerzlich  war.
Wir leben gewöhnlich der Vorstellung, daß die Folgen des 2. Weltkrieges
narbt und überwunden seien. Aber an persönlichen Schicksalen werden sie
immer wieder vor Augen geführt. Herr Gradaus steht in seinem 55. Lebensjahre. Er
hätte noch mehr als eine ganze Schülergeneration durch die höhere Schule geleiten
können.
Mancher wird sich noch gern der Fahrten entsinnen, die er unter Herrn Gradaus
Leitung nach Dijon oder später nach Orleans mitgemacht hat. Seiner Initiative ist
es in erster Linie zu verdanken, daß der Austausch mit Frankreich überhaupt
S t a n d e  k a m .

u n s

z u -

v e r

-

Da er z. Z. im Sanatorium Valbella in Davos weilen muß, konnten wir nicht ein¬

mal in gebührender Weise von ihm Abschied nehmen. Wir hoffen jedoch, daß
uns Gelegenheit gibt, das zu gegebener Zeit nachzuholen,

e r

Einer unserer Chorknaben berichtet von seiner Fahrt nach Orleans

(7.  bis  11.  Mai  1964)

Am Morgen des 7. Mai fuhren wir mit einem Bus von Münster ab. Es ging zu¬
erst  nach  Wesel  am  Niederrhein  und  von  dort  nach  Geldern.  Darauf  fuhren  wir
über  die  deutsch-niederländische  Grenze.  Hinter  Maastricht  veränderte  sich  die
Landschaft. Die Straßen wurden enger, die Häuser ärmlicher. Die erste belgische
Stadt, die wir sahen, war Lüttich. Dahinter begannen die Ardennen. In der blühen¬
den Landschaft mit ihren sommergrünen Wäldern und fruchtbaren Feldern lagen
die Fronten des ersten Weltkrieges. Hier waren die Schlachten, in denen Tausende
ihr  Leben  lassen  mußten.  Wir  sahen  viele  Soldatenfriedhöfe.

In  Reims,  der  Hauptstadt  der  Champagne,  machten  wir  eine  Pause,  die  wir
dazu benutzten, die Kathedrale zu besuchen. Um sie allein von außen zu studie-

2 4

�ren, hätte ich mehrere Tage gebraucht. Ich stand eine Viertelstunde vor dem Haupt¬
portal, um wenigstens einige Figuren genauer zu betrachten. Als ich dann in das
halbdunkle  Kircheninnere  trat,  fielen  mir  zuerst  die  bunten  Fenster  auf.  Ober  dem
Portal sah ich eine große Rosette. An den Wänden hingen Teppiche, die Bilder aus
dem  Leben  Jesu  darstellten.  Geradeaus  fiel  mein  Blick  auf  einen  prächtigen,  mit
Gold  verzierten  Altar.  In  dieser  Kirche  wurden  die  meisten  französischen  Könige
gekrönt.  Die  Stadt  erhielt  ihren  Namen  nach  dem  Bischof  Remigius,  der  König
Chlodwig, den ersten König der Franken, taufte.

Auf  unserer  Weiterfahrt  kamen  wir  an  Schloß  Fontainebleau  vorüber,  vor  dem

Napoleon  einst  seine  Garde  verabschiedete,  bevor  er  ins  Exil  ging.

Nach  ungefähr  einer  Stunde  Weiterfahrt  kamen  wir  in  Orleans  an.  Wir  wur¬
den  im  Rathaus  empfangen.  Dann  zogen  wir  ins  Lycee  Pothier,  wo  wir  wohnen
s o l l t e n .

Nach dem Abendessen gingen wir in die Stadt zur Kathedrale, die fast so groß
und prächtig ist wie die von Reims. Vor ihr wurde die Fahne der Jeanne d’Arc dem
Bischof von Orleans übergeben. Es war ein gewaltiges Schauspiel. Die Kathedrale
wurde angestrahlt. An den Häusern wehten die Fahnen Frankreichs und die der
Stadt Orleans. Zum Abschluß stieg aus der Kathedrale roter Rauch auf, so daß es
aussah, als stände der gonze riesige Bau in Flammen. Es erinnerte mich an unsere
Heimattage, bei denen ich manches Mal auf der Tribüne mitgesungen und die er¬
leuchtete  Lambertikirche  gesehen  hatte.

Am nächsten Morgen gingen wir in die Grand’ Messe. Die Kirche war prächtig
geschmückt. An jeder Säule hing das mit Fahnen geschmückte Wappen einer fran¬
zösischen Stadt. In der Messe wurde nur französisch und lateinisch gesprochen.

Noch der Messe gingen wir ins Lycee. Jeder von uns wurde von einer franzö¬
sischen Familie zum Mittagessen abgeholt. Das hatten der Direktor Soudan und
der Musiklehrer Tartarin geregelt, die uns von ihrem Besuch in Münster her kann¬
ten. Mich holten ein Junge und zwei Mädchen ab. Sie waren Schüler des Lycee
Pothier.  Ich  kratzte  meine  französischen  Kenntnisse  zusammen  und  versuchte  mich
zu verständigen. Man fragte mich, wie alt ich sei. „J'ai quatorze ans", antwortete
ich. Ich hatte diesen Satz aus unserm Übungsbuch behalten. Der Junge konnte
etwas Deutsch. Später stellte sich heraus, daß eine von seinen Schwestern ziemlich
gut Englisch sprach. Nun klappte die Verständigung natürlich ausgezeichnet. Ich
wurde in einem Citroen 2CV abgeholt. Meine französische Familie wohnte gegen¬
über  dem  Rathaus.  Ich  lernte  nun  auch  die  Eltern  von  Jean  Claude,  meinem  fran¬
zösischen  Freunde,  kennen.  Sie  woren  sehr  freundlich  zu  mir.

Nach  dem  Essen  fuhr  mich  die  Familie  durch  die  Straßen  der  Stadt.  Dabei  er¬
lebte  ich  folgendes:  Wir  hielten  an  einer  Kreuzung,  auf  der  bereits  ein  anderer
Wagen stand. Unser Chauffeur gab dem fremden Fahrer ein Zeichen, anzufahren.
Der andere tat jedoch dasselbe. Keiner wollte zuerst fahren. So warteten wir eine
ganze  Zeitlang.  Schließlich  fuhr  der  andere  mit  einem  freundlichen  Lächeln  an
u n s  v o r b e i .

Unser Chor ging am Nachmittag zur Place du Martroi mit dem Reiterstandbild

2 5

�der Jeanne d’Arc. Dort sahen wir uns von der Tribüne aus den Festzug an. Zuerst
kam ein Mädchen angeritten, das die Rüstung der Jeanne d’Arc trug, ein Schwert
an der Seite, eine Standarte in der Hand. Mehrere „Ritter" begleiteten sie. Dar¬
auf folgten Musikkopellen und Abordnungen aus vielen Ländern, in dem Gefolge
sah ich den Oberbürgermeister von Münster. Auch der Bischof von Orleans, Dom¬
herren und Priester gingen in dem Zuge mit. Ich sah Volksgruppen in ihren heimat¬
lichen Trachten. Ich war gewaltig beeindruckt.
Am nächsten Morgen fand eine Generalprobe im Theater statt. Da ging es hart
her. Denn wir hatten ein langes Programm und mußten auswendig singen. Nach¬
mittags fand das Konzert statt. Wir bekamen viel Applaus und mußten mehrere
Zugaben machen. Nach dem Konzert hatte jeder eineinhalb Stunde Freizeit, die ich
dazu benutzte, mit Jean Claude die Stadt zu besuchen. Ich sah die Brücken der
Loire, über die altere ist Jeanne d'Arc seinerzeit siegreich in die Stadt eingezogen.
Am Abend waren wir auf Schloß Cheverny zum Singen eingeladen. Dort sollte
ein Festbankett staltfinden. Mit dem Bus ging es die Loire entlang. Auf unserer
Fahrt dorthin sahen wir das Schloß Chambord. Es war wie alle Loire-Schlösser ein
Jagdschloß. Eine 32 Kilometer lange Mauer zog sich um die riesige Waldfläche,
in deren Mitte das Schloß lag. ln seiner Pracht machte es auf mich den Eindruck
eines  Märchenschlosses.

Mit unseren fröhlichen Liedern kamen wir gut an. Wir mußten vieles wieder¬
Am nächsten Morgen sangen wir in der Kathedrale von Orleans. Unser „Ave
und andere Chöre klongen wunderbar in den gewaltigen Gewölben der

Kathedrale. Alte Mütterchen kamen zu uns und bedankten sich.

h o l e n .

v e r u m

Nach  der  Messe  verabschiedeten  wir  uns  von  unseren  französischen  Familien.

Wir mußten nach Münster zurück. Lange noch winkten wir uns gegenseitig zu.
Wir  nahmen  den  Rückweg  über  Paris.  Bald  kamen  die  Vororte  der  Stadt  in
Sicht. Riesige Häuserblöcke, dreispurige Fahrbahnen empfingen uns. Der Flug¬
hafen Orly tauchte auf. Es ging den Boulevard St. Michel entlang zum Quartier
Latin. An dem Palais du Luxembourg und dem Jardln du Luxembourg kamen wir
vorbei. Dann ging es über eine Brücke auf die Ile de la Cite. Mein Blick fiel auf
„Notre  Dame".  Daneben  sah  ich  das  Reiterstandbild  Karls  des  Großen.  Über  die
Rue de Rivoli fuhren wir am Louvre entlang. Die Straße endete auf der Place de la

l^arffeel}au6 H[)ennemamt

H A N D O R F

D A S  B E L I E B T E  A U S F L U G S L O K A L  A N  D E R  W E R S E

2 6

�Concorde, wo der große Obelisk gen Himmel ragte, ln den Tuileriengörten spiel¬
ten Kinder. Ich sah den Are de Triomphe. Einen römischen Triumphbogen könnte
ich mir nicht größer vorsteilen. A's wir die Avenue des Champs Elysees entlang¬
fuhren,  sahen  wir  die  US-Botschaft.  Von  dort  ging  es  zum  Eiffel-Turm.

Wir kamen glücklich wieder aus Paris heraus. Abends waren wir in Reims. Schon
in Orleans hatte man von dort nach uns geforscht. Man hatte den Chor des Schlaun-
Gymnasiums eingeladen, bei der dortigen Jeanne d’Arc-Feier ebenfalls zu singen.
Trotz  dem  langen  Tage  waren  wir  frisch  und  munter  wie  immer,  wenn  es  heißt
zu  singen.  Unser  Platz  war  vor  dem  Hause,  in  dem  Jeanne  wohnte,  als  sie  zur
Krönung  ihres  Königs  in  Reims  war.

Bevor wir am anderen Morgen weiterfuhren, sangen wir in der Kalhedrale „Lobet
den Herrn" als Dank und zugleich als Bitte für eine gute Heimfahrt. Auf dem Rück¬
wege legte Herr Dr. Allerup auf dem Soldatenfriedhof an dem Grab eines unbe¬
kannten  Gefallenen  den  Blumenstrauß  nieder,  den  er  von  der  Stadt  Orleans  er¬
h a l t e n  h a t t e .

Nun hoffe ich, daß ich noch einmal in meinem Leben Gelegenheit habe, nach
Frankreich zu fahren. Ob die zweite Reise aber so schön oder gar noch schöner
wird  als  unsere  Fahrt  nach  Orleans,  weiß  ich  nicht.
Frank  Heise  (Olllsa)

Berlin  1953  —Berlin  1964

In der zweiten Juniwoche des vergangenen Jahres wellte unsere Ol min Berlin.
Am  „Tag  der  deutschen  Einheit"  berichtete  sie  uns  von  ihren  Erleb¬
nissen  und  Erfahrungen.

Nachdem einer der Oberprimaner in kurzen Strichen die politische Entwicklung
vom Londoner Protokoll bis zum Mauerbau aufgezeigt und ein Kurzfilm aus alten
Wochenschauen noch einmal die T34 gegen die Aufständischen in den Straßen
Berlins hatte rollen lassen, berichteten seine Kameraden von ihren Eindrücken aus
der geteilten Stadt elf Jahre nach dem 17. Juni 1953.

Heute prägt die Mauer das Gesicht Berlins, über sie sagte der erste Bericht¬

e r s t a t t e r :

„Die  Fenster  in  den  verfallenen  Gebäuden  der  Bernauer  Straße  wurden  vor
langer Zeit hastig zugemauert, und in Ritzen, Löchern und Vorsprüngen nisten Tau¬
ben, Spatzen und Schwalben. Ein verregnetes Holzkreuz erinnert daran, daß hier
eine alte Frau bei dem Versuch, aus dem dritten Stock eines dieser nun zugemauer¬
ten Häuser zu springen, mit dem Kopf auf das Pflaster schlug. —ln dieser Straße
gingen wir ein wenig auf und ab, setzten uns ober bald auf eine der Bänke, denn
es war sehr heiß; lange blieben wir jedoch nicht, da es an diesem Morgen noch
viel  zu  sehen  gab  in  Berlin.

Entschuldigt, wenn Ich diese Grenze, die im allgemeinen als klaffende Wunde
im  Herzen  Deutschlands  bezeichnet  wird,  so  kühl  schildere.  Aber  wenn  man  die
aufgeschichteten  Steine  und  die  zugemauerten  Fenster  betrachtet,  wird  man  nur
an  eine  schaurige  Moritat  erinnert.

27

�Später habe ich mich in Ostberlin mit einem Bekannten aus der SBZ treffen
können,  der  noch  kurz  vor  dem  Ausbau  dieser  Grenze  bei  uns  war.  Wir  begrü߬
ten  uns  vor  dem  Bahnhof,  gingen  zum  Essen  und  setzten  uns  in  einem  großen  Park
auf  eine  Bank.  Ausgiebig  unterhielten  wir  uns  über  unsere  Familien,  unsere  wirt¬
schaftlichen  Verhältnisse  und  —mit  etwas  gedämpfter  Stimme  —über  Politik.  Lange
saßen  wir  so  und  erzählten,  bis  es  dunkel  und  kühl  wurde.  Dann  standen  wir  auf
und  gingen  langsam  auf  das  neue,  moderne  Bahnhofsgebäude  in  der  Friedrich¬
straße  zu,  von  dem  aus  Westdeutsche  und  Ausländer  abfahren.  Vor  dem  Bahnhof
verabschiedeten  wir  uns.  Ich  trat  in  die  hetlerleuchtete  Halle,  und  bevor  ich  dem
Volkspolizisten  meinen  Personalausweis  und  den  gelben  Passierschein  zeigte,  drehte
ich  mich  noch  einmal  um  und  winkte  der  grouen  Gestalt  in  der  Dämmerung,  die
hinter  dickem  Glas  mit  heller  Hand  antwortete.  Schnell  schob  ich  dem  Vopo  den
gelben Schein zu und kaufte mir für zwanzig Pfennig eine Fahrkarte nach West¬
berlin.  Dann  fuhr  ich  mit  dem  Zug  unter  der  verdammten  Grenze  hindurch."
Die Oberprimaner versuchten ohne Schlagworte und Parolen, vielmehr in nüch¬
terner Beobachtung', Berlin zu sehen, wie es sich ihnen drei Jahre nach der Errich¬
tung  der  Mauer  zeigte.  Jeder  beschränkte  sich  auf  einen  Einzelaspekt;  einer  be¬
richtete  über  Städtebild  und  Bautätigkeit  diesseits  und  jenseits  der  Mauer,  ein
anderer  über  das  Alltagsleben  des  Ostberliners,  ein  dritter  über  die  Meinungs¬
freiheit  unter  Ulbrichts  Regime.

Dabei  mußte  der  Eindruck  vermittelt  werden,  den  die  Klasse  zunächst  von  Ost¬
berlin  gewonnen  hatte:  „Es  ist  ja  gar  nicht  so  schlimm.  Das  Leben  unter  den  ,Linden'
scheint  sich  nicht  wesentlich  von  dem  auf  dem  Kurfürstendamm  zu  unterscheiden."
Das  neue  Wohnviertel  am  Alexanderplatz  zeigte  den  Besuchern  freundliche,  mo¬
derne  Züge,  die  sich  wohltuend  abhoben,  von  der  Zuckerbäckerfassade  der  Stalin-
Allee;  das  HO-Kaufhaus  im  Zentrum  der  Stadt  bot  eine  reiche  Auswahl  an  Lebens¬
mitteln,  Textilien  und  Spielwaren;  Ostberliner  konnten  ungestört  auf  dem  Schiff¬
b a u e r d a m m  m i t 

i h r e n  K o f f e r r a d i o s  d e n  R i a s - S e n d e r  h ö r e n .

Erst  als  die  Oberprimaner  genauer  hinsahen,  bemerkten  sie,  wie  der  totalitäre
Staat hinter diesen schönen Fassaden das Leben seiner Bürger bis ins einzelne regelt
u n d  b e s t i m m t .

Aus dieser doppelten Erfahrung ergab sich der Aufbau der Referate. In einem
ersten Durchgang schilderten die Oberprimaner zunächst die blendende Oberfläche,
um  dann  in  Korreferaten  —vom  selben  Schüler  zum  selben  Thema  geholten  —Hin¬
tergründe,  Grenzen  und  Korrekturen  des  ersten  Eindruckes  aufzuweisen.  Auszüge
aus  diesen  Referaten  mögen  die  Methode  und  mit  ihr  das  Leben  in  der  SBZ  ver¬
d e u t l i c h e n :

„...Unsere  Klasse  besuchte  das  Ostberliner  Kabarett 

,Die  Distel’.  Scharfe
Angriffe  gegen  den  Westen  hatten  wir  zwar  erwartet,  nicht  aber  folgende  Szene:
Ein  Arbeiter  hatte  den  selbstschwenkenden  Topf  erfunden  und  damit  den  geplagten
Hausfrauen  den  Topflappen  erspart.  Der  Genosse  Direktor  erfährt  von  dem  Un¬
sinn,  tobt  und  sucht  den  Verantwortlichen,  der  diesen  Auftrag  gegeben  hat.  Es
stellt  sich  heraus,  daß  die  Anregung  dazu  dem  „Neuen  Deutschland"  entnommen
worden  war.  Dort  hatte  gestanden:  Wir  brauchen  mehr  selbstschwen¬
kende  Töpfel  Man  rief  die  Redaktion  an,  und  sie  klärte  den  Fall.  Die  Zei¬
tungsnotiz  hatte  einen  Druckfehler  enthalten.  Es  hatte  heißen  sollen:  Wir  brauchen

2 8

�mehr  selbstdenkende  Köpfe!  —Wie  weit  sich  „Die  Distel"  in  diesem
Sketch  vorwagte,  liegt  auf  der  Hand.  Sie  griff  die  Diktatur  des  Staates  an,  der
alles  Denken  außerhalb  der  Parteiideologie  ausmerzt.  Es  gibt  also  eine  gewisse
Meinungsfreiheit  in  Ostberlin  ..."

..Eine  andere  Begebenheit  zeigte  uns  die  Grenzen  dieser  ,Meinungsfrei¬
heit’.  1962  erhielt  —so  erzählte  man  uns  beim  Gesamtdeutschen  Ministerium  —
der  Wirt  einer  kleinen  Dorfschenke  inmitten  der  Zone  einen  Brief  von  seinem  Freund.
Dieser schrieb unter anderem: ,Aile SED-Mitglieder meiner Heimatstadt gleichen
Blasenkranken:  Sie  wollen  austreten,  können  aber  nicht.'  Die  Partei  erfuhr  von
dieser Äußerung. Der Freund erhielt 8Jahre Zuchthaus, der Wirt 4Jahre Gefäng¬
nis und seine Frau 1Jahr wegen ,Nichtanzeige eines staatsgefährdenden Verbre¬
c h e n s ' 

. . . "

..Warum  wurde  „Die  Distel"  nicht  bestraft?  Aussprüche  von  Ulbricht  und
Norden, die in dem Flur des Kabaretts hingen, gaben uns die Antwort:
L a c h e n
befreit und gibt neue Kraft für den Produktionsprozeß!
Ventil für die aufgestaute Wut im Schatten der Mauer, als Möglichkeit für den klei¬
nen Mann, seinem Ärger Luft zu machen! Man hofft, daß er danach umso williger
die Diktatur des Staates erträgt."
Die Ausführungen der Oberprimaner wollten und konnten keine Lösung der
Deutschlandfrage geben. Sie wollten in Streißichtern unsere Lage beleuchten, in
der uns vielleicht nur die Hoffnung wider die Hoffnung bleibt, daß einst in ganz
Deutschland wieder „Einigkeit und Recht und Freiheit" herrschen.
Si  --

. D i s t e l "  a l s o  a l s

D i e 

Gespräch mit einem Stipendiaten unserer Schule

Auf  Einladung  des  Kalamazoo-College/Michigan  weilte  Herr
Wilhelm Funcke (Abiturient unserer Schule von 1962) ein Jahr in
Nordamerika. Darüber führten wir folgendes Gespräch mit ihm:
—Es gibt sicher viele junge Münsteraner, die gern für ein Jahr zum Studium an
eine  amerikanische  Universität  eingeladen  würden.  Wie  kam  es,  daß  man  ge¬
rade Ihnen eine solche Möglichkeit anbot?

—Das  Kalamazoo-College  hat  für  seine  Studenten  ein  Programm  für Auslands¬
studien.  Danach  studieren  20  bis  25  Studenten  aus  Kalamazoo  für  drei  bis  sechs
Monate in Münster. Da es ihnen anscheinend bei uns gefallen hat, vergab das
College als Dank ein Stipendium für einen münsterschen Studenten. Daß gerade
ich dieses Stipendium erhielt, liegt wohl zunächst daron, daß ich Englisch als
F a c h  h a b e .

—Nicht auch an Ihrem Abiturzeugnis?
—Vielleicht  auch.  Die  Auswahl  erfolgte  jedenfalls  auf  Grund  guter  Referenzen

des  Schlaun-Gymnasiums.

—Und  sind  Ihre  Erwartungen  erfüllt  worden?
—Natürlich war vieles anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Zum größten Teil

sind  meine  Erwartungen  jedoch  noch  übertroffen  worden.

2 9

�—Wenn Sie zuröckschauen: Können Sie sogen, was Sie für besonders wer+voil an

Ihrem  Amerika-Aufenthalt  ansehen?

—Nun,  ich  studiere  Englisch.  Daß  meine  Sprachkenntnisse  von  dem Aufenthalt
profitiert  haben,  ist  selbstverständlich.  Das  war  ja  der  eigentliche  Zweck.  Ich
konnte in einem englisch sprechenden Land studieren. Ich konnte mich zudem
viel eingehender mit der amerikanischen Literatur beschäftigen, als ich das in
Münster  gekonnt  hätte,  wo  es  keinen  Lehrstuhl  für  Amerikanistik  gibt.  Aber
auch  manche  „persönlichen  Kontakte"  waren  wertvoll  für  mich.  Das  College
hat weit unter tausend Studenten. Das bedeutet, daß die Atmosphäre dort —
mit deutschen Verhältnissen verglichen —geradezu „intim
Socializing
wird sowieso groß geschrieben ln Amerika. Jeder kennt jeden, grüßt jeden,
spricht mit jedem. Außerdem bemühen die Amerikaner sich um die Ausländer
ganz besonders. Ich hatte also keine Schwierigkeiten, mit ihnen in Kontakt zu
kommen. Ich habe im Gegenteil wirkliche Freunde in Amerika gefunden. Da
viele Studenten aus Kalamazoo nach Münster kommen, die ich dort bereits ken¬
nenlernte, sind diese Kontakte bis heute nicht abgerissen, sondern noch vertieft
w o r d e n .

w a r

.

—Die  Dauer  Ihres  Studiums  in  Deutschland  dürfte  sich  durch  Ihren  Aufenthalt  in
den USA immerhin um em Jahr verlängert haben. Können Sie das, aufs Ganze
gesehen,  in  Kauf  nehmen?

—Meine zwei Semester in Kalamazoo werden mir zwar angerechnet. Aber mein
Studienplan ist natürlich durch den Amerika-Aufenthalt durcheinandergeworfen
worden. Insofern haben Sie recht. Auf der anderen Seite, meine ich, wird das
durch die Vorteile mehr als aufgewogen. Was liegt schließlich an einem Jahr?
Entscheidend ist, was man kann und gelernt hat.

—Ich merke: Sie studieren nicht mit der Uhr in der Hand wie sogenannte Brot¬
studenten. Das ist erfreulich. So werden Sie drüben Erfahrungen gesammelt ha¬
ben, die für Sie unbezahlbar sind. Würden Sie uns darüber zu gegebener Zeit
einmal  ausführlich  berichten?
—Wenn Sie es wünschen, gern.
—Ich glaube, daß unseren Lesern daran gelegen wäre. Apropos: Sie waren doch

drüben, als Präsident Kennedy ermordet wurde.

— J a .
—Und  das  Negerproblem,  über  das  bei  uns  soviel  Unverständiges  vorgebracht
wird, haben Sie vermutlich ebenfalls kennengelernt. Darf ich Vorschlägen, daß
wir  unsere  Leser  entscheiden  lassen,  was  sie  am  liebsten  von  Ihnen  erfahren
m ö c h t e n ?

— E i n v e r s t a n d e n .
—So darf ich Ihnen schon heute für Ihre Bereitschaft herzlich danken, Herr Funcke.

3 0

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�Erlebnis  auf  einer  Griechenland-Reise

An  jenem Tage  wollten  wir  möglichst  nahe  an  Delphi  herankommen. Als  der
erste Sonnenstrahl den Gipfel des Parnaß beleuchtete, waren wir schon auf. Im Tal
herrschte noch Dunkelheit. Die Bergschatten wonderten tiefer, und als die Sonne
uns erreichte, waren wir marschbereit. Essen wollten wir später, wenn die Hitze
das Wandern unerträglich machte.

Gegen neun gelangten wir an einen Bach. Unter einer riesigen Platane machten
wir Rast. Apathisch blickten wir in die flimmernde Luft und folgten dem Flug eines
Steinadlers, der über der grauen Höhe kreiste, von der wir herabgestiegen waren.
Nach einer Weile schweigsamen Essens hörten wir das Klappern von Hufen. Ein
Bauer lenkte seinen müden Esel auf uns zu. Nach der Begrüßung fragte er uns,
ob wir Deutchse seien. Wir nickten. Er schwieg eine Weile und fragte, wohin wir
wollten. Wir nannten unser Ziel, „über Dhistomo?" fragte er. Ich nickte. „Ihr
kennt die Geschichte von Dhistomo? Auch die Zeitrechnung? Man zählt dort jetzt
das Jahr 19." Wieder nickte ich. „Ich bin aus Dhistomo", fuhr er fort,
mein  Bru-
d e r  w a r  a u s  D h i s t o m o 

. . . "

Ich hatte das Gefühl, als wollte er noch etwas sagen. Er blickte jedoch vor sich
hin. Dann schaute er uns ernst an und sagte: „Vielleicht sehen wir uns noch mal",
trat dem Esel in die Weichen und ritt fort, ohne sich umzudrehen,

überrascht schauten wir uns an. Solch ein Verhalten hatten wir noch nicht

lebt. Im allgemeinen erfuhren wir in Griechenland eine Freundlichkeit, die uns
überwältigte.

e r -

Die anderen bedrängten mich, ihnen zu erzählen, was mit Dhistomo los sei.
,1m Jahre 1943", berichtete ich.
.also während des zweiten Weltkrieges, wurde
das Dorf Dhistomo ausgelöscht. Ein Partisane, der aus diesem Dorf stammte, hatte
einen deutschen Soldaten erschossen. Da, wie man feststellte, mehrere Bewohner
von Dhistomo Partisanen waren, befahl man eine Vergeltungsmaßnahme. Das Dorf
wurde in Brand gesetzt, und wer den Flammen entkam —ob Kind, Frau oder Mann
—wurde niedergeschossen. Seit diesen Tagen hat man in Dhistomo eine neue Zeit¬
rechnung.  Heute  leben  sie  im  Jahre  19."

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3 2

�„Müssen wir unbedingt da durch?" fragte einer. Jeder wußte, was damit ge¬

meint  war.  „Ja",  erwiderte  ein  anderer.

Wir mußten „da durch"! Irgendein Zwang trieb uns. Wir schulterten unser Ge¬
päck und brachen auf. Als die Fahne an der Stange, die durch einen Windstoß um¬
geworfen  und  in  den  Sand  gefallen  war,  wieder  im  Winde  flatterte,  griff  einer
plötzlich nach ihr und rollte sie zusarrtmen. Dann traten wir in die flimmernde Hitze.
Nach  zwei  Stunden  kamen  wir  nach  Dhistomo.  Die  Straße  war  menschenleer.
Eine merkwürdige Stille herrschte. War keine Bevölkerung da? Befangen schauten
wir uns an. Langsam gingen wir auf den Dorfplatz zu, auf dem riesige Platanen
standen. Einerseits ist es natürlich, daß keiner in der Mittagshitze herumläuft, dach¬
te ich. überall hatten wir das so erlebt. Doch je mehr ich mir das einredete, desto
unangenehmer wurde mir zumute. Auf dem Platz standen Tische mit Stühlen herum.
Als  wir  sie  zurechtrückten  und  uns  niedersetzten,  lief  ein  Hund  kläffend  weg.  Das
war dos einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Plötzlich schraken wir zusam¬
men. Was war das? Der klagende Schrei eines Esels. Dann hörten wir Stimmen,
ich drehte mich um und sah eine Menschenmenge herankommen. An der Spitze
ging der Bauer, der mit uns während unserer Rast gesprochen hatte. Die Szene
hatte  etwas  Beklemmendes  an  sich.  Warteten  wir  auf  unsere  Richter?

„He,  ihr  Deutschen!  Was  wollt  ihr  hier?"  rief  einer.  „Rasten  und  dann  weiter¬
gehen. Wir wollen morgen nach Delphi". Einer von uns hatte das auf Griechisch
geantwortet.

„Hört ihr? Sie können sogar Griechisch! Wart ihr damals schon in Griechen¬

land?"  Jeder  wußte,  was  mit  „damals"  gemeint  war.

„Nein!" rief ich. „Wir haben es uns in Deutschland beigebracht".
„Kennt ihr die Geschichte von Dhistomo? Und kennt ihr unsere Zeitrechnung?"
„Ja,  wir  kennen  sie!"
„Seht ihr, sogar dos kennen sie! Wahrscheinlich haben ihre Väter sie ihnen er-
zäh!t.  Jetzt  brüsten  sie  sich  damit."  Voüer  Zorn  und  Wut  war  dies  gesprochen  wor¬
den.  Die  Situation  war  bedrohlich.  Dann  war  es  still.  Als  ich  die  vielen  Gesichter
überflog,  spürte  ich,  daß  das  Dort  Dhistomo  auf  etwas  wartete. Aber  auf  was?
Auf eine Erklärung, weshalb wir hier waren? Auf eine billige Rechtfertigung? Soll¬
ten wir ein Lied singen, um sie zu erfreuen? Wir waren übereingekommen, daß
ein Lied nie Notbehelf oder Notlösung sein dürfe. Da sagte einer von den Bewoh¬
nern:  „Unsere  und  eure  Väter  haben  wie  Kain  und  Abel  miteinander  gestritten.
Ihr könnt nichts dafür". Das klang so, als wollte er unsere Situation verbessern.
„Wenn das stimmt", sagte ich, „dann waren das Brudermorde!"

Da  trat  der  Bauer,  den  wir  bereits  kannten,  auf  mich  zu,  reichte  mir  die  Hand
und sagte: „Du hast gut gesprochen! Laßt uns nicht mehr davon reden! Es ist ver¬
gessen."

Diese  Worte  schienen  wie  Zauber  zu  wirken.  Die  Menge  löste  sich  auf,  einige
schimpften, die meisten lächelten uns freundlich zu. Der Bauer, der sicherlich hohes
Ansehen genoß, lud uns zum Essen ein. Vom Jahre 0wurde nicht mehr geredet.

3 3

�Am späten Nachmittag verließen wir Dhistomo. Der Bauer begleitete uns bis
zum  Dorfende,  während  uns  andere  zum  Abschied  zuwinkten.  Dann z o g e n  w i r
weiter. Die Fahne wurde entrollt. Während wir wanderten, besprachen wir unser
Erlebnis. Eine Erkenntnis hatten wir gewonnen: Haß kann man nicht immer be¬
wahren, obwohl es schwer ist zu vergeben.

Das wurde uns später noch deutlicher, als wir nach Kalavrita kamen. Auch dies
Dorf  hatte  eine  Vergeitungsaktion  der  Deutschen  erlebt.  Noch  heute  steht  die
Mauer mit den Einschüssen. Ein griechischer Student sagte uns dort:
D a s  L e b e n
geht weiter. Jeder stirbt einmal. Warum so allgemein sagen, die Deutschen sind
schuld daran? Jede Seite hat Schuld auf sich geladen. Die Deutschen bereuen ihre
Taten. Warum ihnen da nicht verzeihen? Ich meine, man muß es sogar. Ihr Jungen
habt nichts damit zu tun. Indem ihr durch Griechenland zieht und versucht, Freund¬
schaft zu schließen, zeigt ihr, daß ihr anders seid. Seid uns deshalb aufs herzlichste
■w i l l k o m m e n ! "
Christian J. Sczuka {Abiturient 1965}

Gedanken eines Oberprimaners zur Gemeinschaffskunde

Für manchen mag Gemeinschaftskunde nicht viel mehr als ein Fach sein, für
das man nicht unbedingt etwas zu tun braucht, weil ein halbwegs Intelligenter sich
mit dem, was er in den Stunden hört, schon über Wasser halten kann. Für andere
ist Gemeinschaftskunde ein Fach, bei dem es darauf ankommt, möglichst viel mit¬
zuschreiben, möglichst lange Passagen wörtlich vorzulesen und auch sonst in jeder
Hinsicht zu brillieren, sofern das keine allzu große geistige Anstrengung erfordert.

Was aber sollte uns Gemeinschaftskunde wirklich sein? Sie sollte,

mal mit ganz einfachen Worten auszudrücken, Lebenskunde sein. Sie sollte dem,
der sich mit ihr beschäftigt, einen Eindruck davon vermitteln, wie es bisher in der
Welt zugegangen ist und wie es noch heute in ihr zugeht.

u m 

e s 

e i n -

Solch lebenskundlicher Gemeinschaftskunde-Unterricht könnte an sich auf zweier¬
lei Art gestaltet werden: mit Hilfe eines Lehrbuches wie der bisherige Geschichts¬
unterricht oder mit Hilfe von Quellen. Benutzt man ein Lehrbuch, so sieht
m a n  g e -
zwungenermaßen das, was an Tatsachen behandelt wird, durch die Brille dessen,
der das Lehrbuch geschrieben hat. Das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein; denn
die Brille des Schreibers kann durchaus die der Objektivität sein; nur kann man nicht
absolut sicher sein, daß sie es ist. Ganz anders bei der zweiten Art: der Gestal¬
tung des Gemeinschaftskunde-Unterrichtes mit Quellen. Hier sehe ich gegenüber der
ersteren Art drei gonz bedeutende Vorteile:

3 4

�Erstens ist man bei der Arbeil mit Quellen nicht gezwungen, chronologisch vor¬
zugehen, sondern hat die Möglichkeit, sich nacheinander mit den verschiedensten
Sachgebieten zu beschäftigen, Das führt schon durch die viel längere, ununterbro¬
chene Beschäftigung mit dem gleichen Thema zu einer unvergleichlich tieferen Ein¬
sicht. Man hat ja die Möglichkeit, viele Stunden hintereinander bei derselben Sache
zu  verweilen.  Dadurch  wird  der  Unterricht  fruchtbarer,  da  Voraussetzungen,  Ereig¬
nisse und Zusammenhänge aus vorangegangenen Stunden viel lebhafter in der Er¬
innerung bleiben, wenn sie in immer neuen Zusammenhängen durchdacht werden,
als dies bei dem chronologischen Vorgehen möglich wäre, bei weichem das thema¬
tisch Zusammengehörige eben chronologisch und nicht thematisch behandelt wird.
Nehmen wir als Beispiel den Imperialismus! In den Schullehrbüchern wird er zwar
als eigenes Kapitel behandelt. Aber dies Kapitel ist verhältnismäßig kurz und wird
in  keiner  Weise  in  Beziehung  zur  Gegenwart  gesetzt  oder  gesehen. Außerdem
muß man sich bei seiner Behandlung mit den Feststellungen des Autors begnügen
und sie, da man keine Möglichkeit der Nachprüfung hat, so übernehmen, wie sie
da  stehen.  Der  Gemeinschaftskunde-Unterricht  soll  aber  Wissen  vermitteln,  das
einer kritischen Prüfung unterzogen wird. Daher ist ihm die genannte Art des Vor¬
gehens nicht angemessen. Hat man aber die Quellen selbst vor sich, so kann man
Stellen aus Reden oder Büchern der Verantwortlichen oder Zeitgenossen Wort für
Wort überprüfen und entsprechende Erkenntnisse daraus ziehen. Notwendige Er¬
klärungen zu den meist ohne Kommentar abgedruckten Quellen zu geben, ist dobei
die Aufgabe  des  Lehrers,  der  in  jeder  anderen  Hinsicht  zurücktreten  kann,  falls
d i e  b e t r e f f e n d e  P r i m a  w i r k l i c h  e i n e  P r i m a 

i s t .

Der  zweite  Vorteil  des  Gemeinschaftskunde-Unterrichtes  mit  Quellen  Ist  der,
daß die Beschäftigung mit ihnen ungleich interessanter ist als die Arbeit mit einem
Lehrbuch. Es handelt sich ja bei ihnen um authentische Verlautbarungen, Reden,
Tagebucheintragungen oder dergleichen von Leuten, die zu einer bestimmten Zeit
an  verantwortlicher  Stelle  standen  oder  zumindest  genau  Zusehen  konnten,  wie
dieses oder jenes verhandelt, verfügt oder ausgeführt worden ist. In jedem Falle
sind es persönliche Zeugnisse aus der Zeit selbst, und das ist es, was dos Interesse
erweckt. Ihre persönliche Färbung erlaubt, sich auch über das Psychologische Ge¬
danken  zu  machen.  So  stellt  man  nicht  einfach  fest,  daß  Prinz  Max  von  Baden  den
Kaiser im November 1918 als abgedankt bezeichnet hat, bevor dieser wirklich ab¬
dankte.  Man  kann  durch  die  Art,  wie  er  selbst  darüber  schreibt,  zumindest  versu¬
chen zu verstehen, wie er dazu gekommen ist und was ihn dazu getrieben hat. Was
nützt  es,  wenn  man  in  einem  Geschichtsbuch  liest,  daß  der  Prinz  die  Monarchie
nicht  abschaffen  wollte,  daß  er  vielmehr,  um  die  Straße  nicht  von  vornherein  gegen

3 5

�sich  einzunehmen,  zu  einer  Parlamentarischen  Monarchie  kommen  wollte?  Selbst
wenn man im Unterricht darüber gesprochen hat, vergißt man es schnell wieder,
da das Wissen in solchem Falle nur ein angelerntes ist, kein verstandenes —etwas,
was man durch Quellen sozusagen aus eigener Anschauung kennt, miterlerbt und
begriffen hat. Wenn das aber der Fall ist, bedarf es dann bei der Wahl zwischen
beiden Unterrichtsarten noch der weiteren Überlegung?

Der  dritte  Vorteil  schließlich  besteht  darin,  daß  man Texte  lesen  lernt.  Dabei
ist es letzten Endes gleichgültig, um was für Texte es sich handelt. Wenn man an
geschichtlichen Quellen geübt hat, aus Nebensätzen, Parenthesen oder der Wort¬
wahl das herauszuiesen, was herauszulesen ist, dann kann man dieselbe Fähigkeit
auch bei Texten anwenden, die aus einem anderen Bereich stammen. Diese Fähig¬
keit ist nicht nur für Diplomaten wichtig, wie man meinen könnte. Fast jeder wird
wahrscheinlich sehr oft in eine Lage -kommen, in der es wichtig ist zu beurteilen,
was  mit  einer  Rede,  einer Anordnung,  einem  Paragraphen,  einem  Brief  wirklich
gemeint ist. Viele, die täglich ihre Zeitung lesen, überlesen so manches, weil
irgendwo klein und versteckt in einem Nebensatz oder einer scheinbar unwichtigen
Bemerkung enthalten ist. Hat man aber gelernt, Quellen wirklich zu lesen, so wird
einem dergleichen nicht passieren, es sei denn, man betreibt die Zeitungslektüre
lediglich zum Zeitvertreib oder als ein Mittel zur Entspannung und Zerstreuung. Vor
kurzem wurde in einer Notiz ganz am Ronde die Mitteilung gemacht, daß der
amerikanische Botschafter Henry Cabot-Lodge seinen Posten in Sudostasien
lassen habe und nach Amerika zurückgekehrt sei. So etwas kann man leicht über¬
um  einen  Botschafter  handelt.  Weiß  man  aber,  daß
lesen,  zumal  es  sich
Lodge Republikaner ist und sich schon länger mit dem Gedanken getragen hatte,
für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, wird einem sofort klar, daß der Sena¬
tor Goldwater nicht mehr der alleinige Kandidat seiner Partei ist, sondern einen
Rivalen aus den eigenen Reihen hat. Und ist es nicht wichtig zu wissen, welcher
Mann  das  wichtigste Amt  der  westlichen  Welt  übernehmen  wird  oder  zumindest
übernehmen  kann?

,nur‘

e s

v e r ¬

Wenn man ein Problem aus der Vergangenheit etwas tiefergehend erfaßt hat
kommt es fast von selbst, daß man sich fragt:
Und  wie  Ist  es  heute  mit  uns  be-
stellt?" Man versteht dann Entwicklungen und kann sie bis in unsere Zeit weiter¬
verfolgen. Man nimmt dann nicht einfach mehr als gegeben hin, daß es uns wirt¬
schaftlich gut geht. Man lernt wieder zu staunen. Wenn man das aber kann, dann
hat  man  die  „gefährliche  Selbstverständlichkeit  des  Lebens"  verloren.  Und  wäre
das  nicht  erstrebenswert?
Peter Kalicinski (Abiturient Ostern 1965)

3 6

�Auf dem Prinzipalmarki

bei Beendigung des letzten Sonntags-Gottesdienstes

Ich stehe auf dem Prinzipalmarkt und warte auf das Ende des letzten sonntäg¬
lichen  Gottesdienstes  in  der  Lambertikirche.  Mein  Blick  wandert  den  schlanken,
immer spitzer werdenden Turm hinan, verweilt auf den goldfarbenen Ziffern und
den  beiden  Zeigern  der  Turmuhr,  die  gerade  fünf  Minuten  vor  zwölf  zeigt,  und
geht weiter das schlanke Gemäuer hinauf. Wie die Ranken einer Blume windet es
sich um ein unsichtbares Gerüst. Drei Eisengitter— die Wiedertäuferkäfige —hän¬
gen über der Turmuhr. Weiter in den Himmel hinein stößt der Turm, immer spitzer
wird  er,  bis  er  in  einer  Blüte  aus  Stein  endet.

Leise regen sich die Blätter des Baumes am Lambertibrunnen. Einige Sonnen¬
strahlen tasten sich durch seine Krone auf den Boden und bilden helle, spielende
Flecken auf dem Pflaster des Platzes. Die Sonne funkelt und glitzert in dem plät¬
schernden  Wasser  des  Brunnens.  Die  drei  bäuerlichen  Gestalten  über  ihm  erscheinen
heller und freundlicher als sonst. Leise rauschen die Blätter, leise plätschert und
sprudelt das Wasser, und leise erklingt das Lied aus der Kirche: „Meerstern, ich
dich  grüße  ..

Da  knarrt  die  große  Kirchentür  und  wird  aufgestoßen,  und  schon  quillen  die
Andächtigen heraus. Ihr erster Blick gilt dem Wetter. Sie staunen in den strahlen¬
den Himmel. Einige gehen nach Hause, andere warfen vor der Kirche. Die weißen
Hemden  der  Männer  und  die  bunten  Kleider  der  Frauen  und  Kinder  leuchten.  Der
Kirchplatz füllt sich mehr und mehr. Lachen wird laut, dazwischen Motorengeräusch
abfahrender Autos. In Gruppen gehen die Menschen in Richtung Prinzipalmarkt,
Salzstraße, Roggenmarkt. Noch eine Weile ist ihr Lachen und das Klappern ihrer
Absätze  zu  hören.  Dann  wird  es  wieder  still,  und  es  bleibt  das  Rauschen  der  Blätter,
das Plätschern des Brunnens und das Spiel der Sonne In dem Rankwerk des Turmes.
Hans  Hegemann  (Olllsa)

Eine Stunde Verspätung

Meine Tante hatte ihren Besuch angekündigt, und nun stehe ich hier auf Bahn¬
steig 3in Münster, um sie abzuholen. Ein kurzer Blick cuf meine Armbanduhr zeigt
mir, daß es bis zur planmäßigen Ankunft ihres Zuges noch drei Minuten sind.

Rechts von mir steht eine junge Frau, ihr Töchterchen an der Hand. Ein Koffer
und  eine  große  Reisetasche  lassen  darauf  schließen,  daß  sie  verreisen  wollen.
Ruhig steht das etwa fünfjährige Mädchen neben seinei Mutter und betrachtet die
Puppe in seinem Arm. Noch eine Minute, denke ich. Hoffentlich hat er keine Ver¬
spätung!

Meine  Hände  werden  allmählich  kalt.  Von  der  Überdachung  des  Bahnsteiges
plätschert der Regen auf die Schienen und das Dach eines abgestellten Postwagens.
Das ein wenig fahle Licht der Nachtbeleuchtung läßt an einer Wand Schatten ent¬
langspielen. Die Gitterstäbe an den Fenstern unterstreichen den trüben Eindruck.
Die schweren Regentropfen spritzen hoch, wenn sie auf eine Schiene treffen, andere
werden  lautlos  vom  Schotter  des  Bahndammes  verschluckt.  Vom  Rande  der  über-

3 7

�dachung fallen Tropfenketten, die sich auflösen, sobald sie auf den Boden auftreffen.
I c h 

f r ö s t e l e .
Da  höre  ich  ein  knackendes  Geräusch: Achtung für Bahnsteig 3! Der Eilzug

aus Bremen über Osnabrück hat voraussichtlich eine Stunde Verspätung."

Mit einem Ruck drehe ich mich um. Die Augen der Frau sind auf den Lautspre¬
cher gerichtet. „Mama, wie lange noch?" fragt die Kleine. Die Mutter scheint ihre
Frage nicht zu hören. Sie nimmt Koffer und Tasche und trögt sie zu einer der Bänke.
Mit einem Seufzer läßt sie sich fallen. „Noch eine Stunde, Kind", sagt sie, indem
sie sich den Mantelkragen hochschiägt.

Hinter mir höre ich ein Ächzen und Schnauben. Ich drehe mich um. Mein Blick
fällt auf die Treppe, von wo das Geräusch kommt. Zuerst sehe ich einen großen
Hut, dann einen Kopf, schließlich einen älteren Mann mit zwei Koffern und einer
anscheinend sehr schweren Tasche. Hinter ihm taucht eine Frau auf. Sie trägt nur
Verantwortung. „Da siehst du es", höre ich sie vorwurfsvoll klagen,
,ich  hatte  dir
doch gesagt, du solltest schneller gehen. Jetzt ist er natürlich weg." Ohne Wider¬
worte setzt der Mann die Koffer und die Tasche ab. Ein Herr, den ich bis jetzt
nicht bemerkt hatte, erklärt der Frau, daß der Zug Verspätung habe. „Das habe ich
geahnt", sagt der alte Mann, wischt sich den Schweiß ab und geht zu einem der
Verkaufsstände,  um Tabak  für  seine  Pfeife  zu  kaufen.  Die  Frau  mit  der  Verant¬
wortung hütet das Gepäck.

Ein etwa 40 Jahre alter Herr, gut gekleidet, eine Aktenmappe aus schwarzem
Leder unter dem Arm, steht —mit der freien Hand gestikulierend —vor dem
Fahrdienstleiter. Ich höre etwas von Schadenersatz und einer wichtigen Bespre¬
chung, die er auf diese Weise versäume. Der Mann mit der roten Mütze zuckt mit
den Schultern und sagt: „Ich kann es nicht ändern. Da müssen Sie sich schon on die
Direktion  wenden."

z u

Meine Aufmerksamkeit fällt wieder auf das Kind. Es ist aufgestanden, läuft

einer anderen Bank und wieder zurück. Es ist ungeduldig geworden. Die Mutter
muß es beschäftigen. Sie steht auf und geht mit dem Kind zu dem Verkaufsstand.
An einem Riegel Schokolade kauend kommt das Kind zurückgelaufen, während die
Mutter  langsam  folgt.
Auch ich spüre Langeweile in mir aufsteigen. Daher schaue ich zur Überdachung
und zähle die Glasfenster, auf die noch immer der Regen in monotonem Rhythmus
niedertrommelt. Auf dem Bahnsteig nebenan ertönt die Pfeife des Vorstehers. Der
Motor einer Diesellokomotive wird lauter. Ich sehe, wie das Gestänge an den Rä¬
dern von einem Stoß erzittert. Ein Rucken geht von der Lokomotive aus und pflanzt
sich von einem Wagen zum andern fort. Langsam wird die Bewegung gleichmäßig.
Das Rollen der Räder wächst zu einem dunklen Ton, der bald wieder abnimmt.
Dann sehe ich die Rücklichter des Zuges zwischen den Reihen abgestellter Wag
ketten  verschwinden.

e n -

Ich schaue ouf die große, runde Uhr über mir. Es kann sich nur noch um Minu¬
ten handeln. Da knackt es erneut in dem Lautsprecher: „Achtung für Bahnsteig 3!
Es  erhält  Einfahrt
Erleich¬
tert gehe ich zu meinem ersten Standort zurück. Ich sehe, wie die Frau mit dem

diesem Bahnsteig der verspätete Eilzug aus Bremen.

a n

3 8

�Kind aufsteht. Die Frau mit der Verantwortung erklärt: „Nun nimm schon die Kof¬
fer!  Bist  du  taub?  Der  Zug  kommt!"  Der  Mann  mit  der Aktenmappe  ist  nirgends
zu  sehen.  Er  scheint  sich  anders  besonnen  zu  haben.

Aus  dem  Dunkel  fauchen  links  vor  mir  die  drei  Lampen  einer  Dampflokomotive
auf.  Ein  Zittern  geht  durch  den  Boden.  Ein  Quietschen,  dann  ein  Ruck.  Der  hell¬
erleuchtete  Zug  steht  vor  mir,  und  ebenfalls  vor  mir  steigt  meine  Tante  aus  —strah¬
lend  vor  Überraschung  und  Freude.
Robert  Tschiedei  (Olllsa)

Unser Schornsteinfeger

immer wenn es bei uns zweimal anhaltend klingelt, weiß ich, daß ein Viertel¬
jahr vorbei ist. Dann steht vor der Tür ein großer, schlanker Mann in einem schwar¬
zen, verschmutzten Anzug. Sein schwarzes Käppchen sitzt schräg auf seinem Kopf.
In seinem verrußten Gesicht leuchten ein Paar lustige Augen. Ich weiß sofort, daß
es  unser  Schornsteinfeger  ist.

Als  er  zum  erstenmal  bei  uns  onschellte,  öffnete  ich  ihm  die  Tür.  Lächelnd  trat
er  ein  und  sagte:  „Ich  bin  der  schwarze  Mann  und  möchte  den  Kamin  fegen."  Damit
ging er die Treppe zum Dachboden hinauf. Ich sagte, daß wir ihn noch nicht er¬
wartet  hätten  und  daß  V/äsche  auf  dem  Boden  hänge.  „Das  ist  nicht  schlimm",
erwiderte  er.  „Hilf  mir  nur  schnell,  die  Wäschestücke  in  der  Nähe  des  Kamins  ab¬
zunehmen!" Als das geschehen war, ging ich wieder noch unten.

Fröhliches  Lachen  klang  von  unserem  Boden  herunter.  Nach  Beendigung  seiner
Arbeit  verlangte  der  Schornsteinfeger  sein  Geld.  Meine  Mutter  sagte:  „Sie  sind
ja  wieder  sehr  lustig  heute,
Das  bin  ich  immer,  denn  bei  meiner  Arbeit  bin  ich
dem  Himmel  besonders  nahe",  entgegenete  er.  Mit  seiner  schwarzen  Hand  berührte
er mein Gesicht und hinterließ einen dunklen Strich auf meiner Wange. Lächelnd
v e r l i e ß  e r  d a s  H a u s .

Am  nächsten  Tags  traf  ich  ihn  wieder.  Als  er  in  ein  Haus  gehen  wollte,  rief
er  mir  zu:  „Willst  du  auch  Glücksbringer  werden?"  Damit  verschwand  er  fröhlich,
b e v o r 

i h m  a n t w o r t e n  k o n n t e .

i c h 

An einem Sonntag sah ich auf der Straße einen gutgekleideten, schwarzhaarigen
Mann. Er schob einen kleinen Sportwagen vor sich her, .in dem ein etwa zwei¬
jähriges  Kind  saß.  Es  spielte  mit  Bauklötzchen.  Plötzlich  warf  es  sie  alle  aus  dem
Wagen. „Das darfst du nicht tun, die Klötzchen gehen entzwei, wenn du sie auf
den  Boden  wirfst",  sagte  der  Mann  liebevoll  und  hob  die  Klötze  auf.  Ich  betrach¬
tete  ihn,  während  ich  an  ihm  vorbeiging,  und  erkannte,  daß  es  unser  Schornstein¬
feger  war. Als  er  mich  sah,  sagte  er:  „Das  wird  später  mein  Nachfolger."  Dabei
zeigte  er  auf  seinen  Jungen.  Und  fröhlich  schob  er  den  Wagen  weiter.

Als  wieder  ein  Vierteljahr  vorüber  war,  hörte  ich  nicht  das  gewohnte  Schellen.
Nur  einmal  ertönte  die  Klingel.  Als  ich  die  Tür  öffnete,  sah  ich  einen  anderen,  mir
fremden  Mann,  der  energisch  fragte:  „Wo  ist  der  Dachboden?"

Ralf Pohlmann (OMI sa)

3 9

�Erlkönig

motorisiert

»

i

Wer  rattert  so  spät  durch  Nacht  und  Wind?
Es  ist  der  Vater  mit  seinem  Kind,
Der  Vater  Karl  mit  dem  Sohne  Fritz
Auf  der  DKW  mit  dem  Soziussitz.
„Mein Sohn, was birgst das Gesicht du so'bang?" —
„Siehst,  Vater,  nicht  den  Bahnübergang,
Den  unbeschrankten,  in  neblichter  Ferne?"  —
„Mein  Sohn,  ich  hob  ’ne  Boschlaterne."
„Mein  Vater,  und  siehst  du  den  Schutzmann  nicht
Mit Bleistift, Notizbuch und strengem Gesicht?
„Sei still, mein Sohn! Das geht uns nichts an.
Ich  hob  eine 
„Mein Vater, mein Vater, jetzt halte dich zu!
Da  kommt  noch  einer  auf  NSU."  —
„Der  hat,  mein  Sohn,  dos  erklär  ich  dir  später.
Nur  zweihundertfünfzig  Kubikzentimeter."
Die  Hupe  schrillt,  der  Motor  kracht.
Das  Unheil  naht  in  finstrer  Nacht.
„Mein  Vater,  mein  Vater,  schon  hör  ich  ihn  johlen.
Gleich  wird  der  andre  uns  überholen.U
Dem  Vater  graust's,  er  gibt  Doppelgas:
„Halt  dich  fest,  mein  Sohn,  sonst  passiert  noch  was!
Er  erreicht  als  erster  das  Haus  am  Meer:
D e r  S o z i u s s i t z  h i n t e r 

falsche  Nummer  dran.

i h m  w a r  — l e e r .

I

I

Hans  Konrad  (Abiturient  1963)

D r .  C .  H e n k e

Schriftleilung:
Cesdiäftl.  LeiUing:  Studienassessor  Hans  Galen
Einzohlungcn:
D a s  Ti t e l b i l d
Die  Zeichnung
I l l u s t a l i o n

Hans  Galen,  Konto-Nr.  25  974  bei  der  Sparkasse  der  Stadt  Münster
fertigte  Monfred  Lauterbach  (VI  b)
auf  Seite  16  verdanken  wir  Siegfried  Eustermonn  (Abiturient  1965)
auf  Seite  31:  Dirk  Stdver  (ebenfalls  Abiturient  1965)
Gutenberg-Druckerei  Theodor  Bröcker  ●44  Münster  ●Bergstraße  71/72

D r u c k :

4 0

�A D T V  Ta n z s c h u l e  Z i m m e r m a n n

führend  im  Tanzsport

Freuen  Sie  sidi  nach  Ostern  in  unserem  geschlossenen  Zirkel
für  das  Sdilaungymnasium  auf  eine  schöne  Tanzstundenzeit.

S i e  fi n d e n  b e i  u n s

aufgeschlossene  Lehrer,  die  mit  cier  Jugend  gehen
und  ihr  den  Anfang  leicht  machen;

ein  gepflegtes,  modernes  Studio;

interressantes  Unterrichtsprogramm

ein 
von  den  Standard-  bis  zu  den  modernsten  Tänzen';

Honorarermäßigung  in  der  Sammelonmeldimg.
im  Haus  des  Tanzes

Neubrückenstraße  50
W i r  s i n d 

i m m e r  e i n e n  S c h r i t t  v o r a u s !

Telefon  434  77

B r i e f m a r k e n s a m m e l n
i s t  S p o r t  u n d  S p a r k a s s e  z u g l e i c h

D R . 

O T T O 

H I N D R I C H S

M ü n s t e r

S a l z s t r a ß e 

1

Werbeschriften  kostenlos  und  unverbindlich

�$ $

Ich  kann  nicht  verstehen,  daß  Sie
hier  im  Kraftwerk  soviel  Mühe  mit
d e m  e l e k t r i s c h e n  S t r o m  m a c h e n .
Bei  uns  zu  Hause  drehen  wir  bloß
am  Schalter".

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